Niedersächsische Konföderation besteht seit 50 Jahren

Loccumer Vertrag
© epd-bild / Landeskirchliches Archiv Hannover
Vertreter von Staat und Kirche unterzeichnen am 19.03.1955 im Kloster Loccum den Loccumer Vertrag über die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Land Niedersachsen und den fünf evangelischen Landeskirchen. Der Vertrag legte die Grundlage für die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, die am 1. Februar 1971 gegründet wurde.
Niedersächsische Konföderation besteht seit 50 Jahren
Kein anderes Bundesland hat eine so große kirchliche Vielfalt vorzuweisen wie Niedersachsen. Allein fünf evangelische Landeskirchen gibt es innerhalb der Landesgrenzen. Vor 50 Jahren schlossen sie sich zu einer Konföderation zusammen.
11.02.2021
epd
Michael Grau, Daniel Behrendt

"Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen sitzen wir in einem Boot - wir müssen es seetüchtig machen." So beschrieb der evangelische Kirchenamtspräsident Johann Frank aus Hannover vor fünf Jahrzehnten die Situation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Denn die kirchliche Lage zwischen Ems und Elbe ist vielfältig und mitunter kompliziert: Gleich fünf protestantische Landeskirchen müssen hier ihre Interessen miteinander abstimmen und sie gegenüber dem Land vertreten. Deshalb hoben Frank und andere zum 1. Februar 1971 ein bundesweit einzigartiges Konstrukt aus der Taufe: die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. In diesem Jahr blickt sie auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück.

Der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit ist seit Januar 2021 Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.

Für den Oldenburger Bischof Thomas Adomeit hat sich Konföderation bewährt: "Für das Land Niedersachsen ist sie ein verlässliches Gegenüber, eine Gesprächspartnerin, die klar und konstruktiv mit einer Stimme spricht." Adomeit hat im Januar von Landesbischof Ralf Meister aus Hannover den Ratsvorsitz der Konföderation übernommen und steht damit künftig an der Spitze, wenn die Protestanten mit der Landesregierung über kirchliche oder gesellschaftliche Themen sprechen. Er will dabei ein deutliches evangelisches Profil zeigen: "Wir sollten auch in Zukunft klar und vernehmbar Stellung beziehen. Verstecken zählt nicht."

"Keine vergleichbare Vielfalt"

Rund 3,3 Millionen lutherische und reformierte Protestanten leben heute in Niedersachsen. Organisiert sind sie in fünf Landeskirchen, in deren Grenzen sich noch weitgehend die Umrisse der alten Länder und Provinzen spiegeln, aus denen 1946 das Land Niedersachsen entstand: Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe. Hinzu kommt die Evangelisch-reformierte Kirche. "Kein Bundesland hat eine vergleichbare Vielfalt vorzuweisen", sagt der Kirchenhistoriker Professor Hans Otte aus Hannover.

Und jede Landeskirche hat ihre ganz besondere Eigenart. Die braunschweigische Kirche im Südosten ist geschichtlich besonders vom Geist der Aufklärung geprägt, Schaumburg-Lippe im Südwesten dagegen von der kirchlichen Erweckungsbewegung. Wie diese beiden ging auch die oldenburgische Kirche im Nordwesten aus einem ehemaligen Fürstentum hervor - bis heute ist sie auf ihre Eigenständigkeit bedacht.

Kirchen wollten eigenständig bleiben

Die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer beruft sich anders als ihre lutherischen Nachbarn auf den Schweizer Reformator Johannes Calvin. Die hannoversche Landeskirche schließlich ist die größte Landeskirche in Deutschland, sie umfasst drei Viertel Niedersachsens. Hier konnten Erweckung, Liberalismus und lutherische Orthodoxie immer nebeneinander existieren.

Immer wieder gab es Versuche, die Kirchen einander anzunähern oder sogar zu fusionieren, erläutert Otte - den ersten gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich Kirchen und Länder neu ordneten. Der erste Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) hätte lieber eine einheitliche niedersächsische Kirche gehabt. Doch die Kirchen wollten eigenständig bleiben.

Der zweite Anlauf führte 1955 auf Anregung des Ministerpräsidenten zum Abschluss des "Loccumer Vertrags", des ersten umfassenden Staat-Kirche-Vertrags im Nachkriegsdeutschland. Darin regeln das Land und die fünf Landeskirchen ihre rechtlichen und finanziellen Beziehungen. In Hannover nahm eine gemeinsame Geschäftsstelle der Kirchen ihre Arbeit auf, und zugleich gründeten die Kirchen eine gemeinsame Konferenz.

Fusion immer noch relevante Option

Ende der 1960er Jahren fand der Gedanke einer verstärkten Zusammenarbeit immer mehr Anhänger. Und so schlossen sich die Kirchen erstmals zur Konföderation zusammen. Vier Jahrzehnte lang versah sie geräuschlos und effektiv ihre Dienste - bis 2009 eine erneute Debatte über die Fusion zu einer "Evangelischen Kirche in Niedersachsen" losbrach. Doch auch diesmal setzte sich am Ende der Wunsch nach Eigenständigkeit durch.

Laut Bischof Adomeit wird sich die Frage nach einem Zusammenschluss auch in Zukunft immer wieder stellen. "Alles, was unserem wichtigsten Ziel hilft, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein, darf und muss diskutiert werden." Er fügt allerdings hinzu: "Derzeit nehme ich wahr, dass in unserer evangelischen Buntheit, in der strukturellen Vielfalt und den unterschiedlichen Größen unserer Kirchen eine große Stärke liegt."