Kritik an Wohnungsbaubilanz der Regierung

Kritik an Wohnungsbaubilanz der Regierung
Die Forderung nach dem Bau von mehr Sozialwohnungen begleitet die Bundesregierung schon lange. Jetzt sehen Verbände eine dramatische Zuspitzung der Wohnungsnot. Ein Vorschlag lautet, leerstehende Büroflächen zu Wohnungen umzubauen.

Berlin (epd). Ein Verbändebündnis für sozialen und bezahlbaren Wohnraum hat vor einer zunehmenden Wohnungsnot in Folge der Corona-Pandemie gewarnt. Die Not der Menschen auf dem Wohnungsmarkt werde sich mit anhaltender Pandemie in den kommenden Monaten weiter verschärfen, erklärten Vertreter des Bündnisses "Soziales Wohnen" am Freitag in einer Online-Pressekonferenz.

Die Corona-Krise führe zu einer neuen "Sozial-Wohnungsnot". Bund und Länder hätten beim Bau bezahlbarer Wohnungen und von Sozialmietwohnungen in den vergangenen Jahren versagt. Dadurch sei im unteren Preissegment ein gewaltiges Wohnungsdefizit entstanden, heißt es unter Verweis auf zwei neue Wohnungsbaustudien. Die eine stammt vom Pestel-Institut (Hannover), die andere vom Bauforschungsinstitut Arge für zeitgemäßes Bauen in Kiel.

Es fehlten bundesweit 670.000 Wohneinheiten mit bezahlbarer Miete, sagte der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. In einem "Akutplan" fordern die Verbände bis 2030 mindestens zwei Millionen zusätzliche Sozialwohnungen, zum einen durch Neubau von 80.000 Sozialwohnungen pro Jahr, zum anderen durch Modernisierungsförderungen und den Ankauf von Belegrechten. Für den Neubau sollten Bund und Länder mindestens 4,8 Milliarden Euro Fördermittel bereitstellen, weitere 1,5 Milliarden Euro für Modernisierungen und Belegungsrechte. Zudem müsse künftig jede zehnte Sozialwohnung barrierefrei gestaltet werden.

Zum Bündnis "Soziales Wohnen" gehören neben dem Deutschen Mieterbund, der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt auch zwei Akteure der Bauwirtschaft, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Deutsche Baustoff-Fachhandel.

Steigende Mieten und Kaufpreise hätten zu einem Wohnungsmarkt geführt, von dem Haushalte mit unteren und auch mittleren Einkommen mehr und mehr abgehängt würden. Gerade ältere Menschen, Behinderte, Arbeitslose und Alleinerziehende hätten kaum noch Chancen, auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, verwies darauf, dass laut Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung die individuelle Wohnkostenbelastung bei fast 30 Prozent im bundesweiten Durchschnitt liege, bei einkommensarmen Haushalten sogar bei fast 50 Prozent.

Günther warf der Bundesregierung vor, ihr selbst gestecktes Ziel von 1,5 Millionen bezugsfertigen Neubauwohnungen bis zum Herbst 2021 um rund 300.000 zu verfehlen: "Das ist mehr als die Bauleistung eines kompletten Jahres." Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) will voraussichtlich in rund zwei Wochen seine Wohnungsbaubilanz vorstellen, hieß es.

Die Corona-Pandemie bietet nach Überzeugung der Verbände die Chance, Büroflächen in Wohnraum umzuwandeln. Mit der wachsenden Akzeptanz vom Homeoffice sehen die Wissenschaftler bis 2025 ein Potenzial von 235.000 "Ex-Büro-Wohnungen". Für diese müsse es allerdings eine strikte Sozialquote geben. Demnach kostet aktuell der Büroumbau zur Wohnung im Schnitt 1.108 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Bei der Vollmodernisierung eines Altbaus fallen den Angaben zufolge durchschnittlich Kosten von 2.214 Euro pro Quadratmeter an, beim Neubau 2.978 Euro.