Agrar- und Ernährungswende gefordert

Agrar- und Ernährungswende gefordert
«Wir haben es satt!»-Protest für grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft
Der "Wir haben es satt!"-Protest war zuletzt die größte Demonstration in Berlin. Wegen Covid-19 wird diesmal auf eine Demonstration mit Zehntausenden Teilnehmern verzichtet. Die Forderung nach einer klimaverträglichen Landwirtschaft aber bleibt.

Berlin (epd). Rund 60 Organisationen aus Landwirtschaft und Gesellschaft fordern erneut eine grundlegende Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik. Im sogenannten Superwahljahr 2021 mit Bundestagswahl und sechs Landtagswahlen sollten die Weichen gestellt werden für eine "enkeltaugliche Landwirtschaftspolitik", erklärte das "Wir haben es satt!"-Bündnis am Mittwoch in Berlin. Nur so hätten Höfe, Tiere und Klima eine Zukunft.

Unter dem Motto "Agrarindustrie abwählen, Agrarwende lostreten!" soll am Samstag in Berlin auch der alljährliche "Wir haben es satt!"-Protest anlässlich der weltgrößten Agrarmesse "Grüne Woche" stattfinden. Messe und Protestveranstaltungen werden wegen der Corona-Pandemie vor allem digital veranstaltet.

Landwirtschafts-, Lebensmittel-, Umwelt- und Tierschutzverbände, Bauern sowie kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen wollen aber vor dem Kanzleramt mit Girlanden aus Tausenden Fußabdrücken auf Papier ein sichtbares Zeichen für eine Agrar- und Ernährungswende setzen. Geplant sind zudem ein Traktorenprotest sowie die Übergabe einer Protestnote an die Bundes-CDU. Ein mehrtägiges Rahmenprogramm unter anderem mit Diskussionsrunden findet digital statt. Auf eine Großdemonstration werde aber verzichtet, hieß es.

Konkret fordert das "Wir haben es satt!"-Bündnis die Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern beim Umbau der Landwirtschaft. Gefördert werden solle der Umbau von Ställen und die Reduzierung der Nutztiere. Für Maßnahmen gegen den Klimawandel müsse der Fleischkonsum deutlich gesenkt werden. Für mehr Insektenschutz seien ein Ausstieg aus Pestiziden und ein Gentechnik-Stopp nötig. Das Bündnis macht sich zudem für weltweite Menschenrechte stark und fordert einen Stopp des EU-Mercosur-Abkommens.

Kritik übt das Bündnis ausdrücklich an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Diese habe nach fast vier Jahren im Amt "kaum Nennenswertes vorzuweisen - außer einer bauern- und umweltfeindlichen Politik", hieß es. Die Ressortchefin sei "nicht willens, den gesellschaftlich gewollten Umbau der Landwirtschaft voranzubringen".

"Das unionsgeführte Agrarministerium hat zu verantworten, dass seit 2005 130.000 Höfe schließen mussten", sagte Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin aus dem Allgäu und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die aktuellen Bauern-Demonstrationen bei Lebensmitteleinzelhandel und Großmolkereien zeigten die verzweifelte Situation auf vielen Höfen. "Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit für Klima-, Arten- und Tier-Schutz, wenn wir faire Erzeugerpreise bekommen und unsere Leistungen durch eine bessere EU-Subventionspolitik honoriert werden", betonte Waizenegger.

"Für Klima- und Artenschutz und nicht zuletzt zum Schutz vor künftigen Pandemien brauchen wir ein zukunftsfähiges Ernährungssystem", sagte Volker Krause vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft. Der sozial-ökologische Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft müsse beschleunigt und das EU-Ziel von 25 Prozent Bio-Anbaufläche bis 2030 umgesetzt werden.

Bündnissprecherin Saskia Richartz sprach sich für eine Halbierung des Fleischkonsums aus. Nur so sei eine nachhaltige Tierhaltung in Deutschland möglich.