TV-Tipp: "Louis van Beethoven"

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TV-Tipp: "Louis van Beethoven"
25. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
Das Beethoven-Jahr 2020 ist zwar nicht ausgefallen, aber wegen der Corona-Pandemie mussten viele Veranstaltungen abgesagt werden. Fast pünktlich zum Jahrestag verbeugt sich nun immerhin die ARD-Tochter Degeto vor dem weltweit bekanntesten deutschen Komponisten, der vor 250 Jahren Mitte Dezember in Bonn zur Welt gekommen ist.

Niki Steins zwei Stunden langer Film ist ein großes biografisches Drama, das Ludwig van Beethoven in drei Lebensphasen zeigt. Den Rahmen der Handlung bilden die letzten Monate, die der 57-Jährige im Haus seines Bruders verbringt: ein für damalige Verhältnisse alter Mann, der zwar nach wie vor voller Schaffensdrang ist, aber seine Meisterwerke bloß noch in seinem Kopf hören kann. Seine Verbitterung resultiert jedoch nicht nur aus der Taubheit, sondern auch aus dem Unverständnis der Welt: Wie die meisten Genies ist Beethoven seiner Zeit weit voraus und hadert damit, dass seine Zeitgenossen von seinen Arbeiten komplett überfordert sind. Musiker finden seine Kompositionen unspielbar; Kritiker attestierten den späten Streichquartetten, die Stein wie einen inneren Monolog einsetzt, sie seien "unverständlich wie Chinesisch". Kein Wunder, dass der Komponist in Tobias Morettis Verkörperung als unleidlicher Misanthrop erscheint.

Umso kurzweiliger sind die Rückblenden, zumal Stein bei den Darstellern für das achtjährige Wunderkind und den 16jährigen jungen Mann mit dem hochbegabten Jungpianisten Colin Pütz und Anselm Breisgott zwei echte Glücksgriffe gelungen sind. Ähnlich treffend ist die Besetzung der jeweiligen Episodenhauptrollen. Erster Lehrer des Genies ist ein Schauspieler, der sich mit Wonne ins Leben stürzt, gleichzeitig aber von einem unbezähmbaren Freiheitsdrang beseelt ist. Tobias Pfeiffer, von Sabin Tambrea voller Hingabe als Paradiesvogel verkörpert, repräsentiert die großen Umbrüche jener von den geistigen und sozialen Reformen der Aufklärung geprägten Zeit; als die Handlung einsetzt, steht die französische Revolution (1789) quasi vor der Tür. Für die musikalische Ausbildung sorgt Christian Gottlob Neefe, eine Rolle, der Ulrich Noethen zu wahrer Größe verhilft. Als der Kapellmeister und Hoforganist erkennt, dass der junge Mann seiner eigenen Begabung längst enteilt ist, schickt er ihn nach Wien, wo er von Wolfgang Amadeus Mozart (Manuel Rubey) lernen soll. Der rund 15 Jahre ältere Kollege erkennt zwar bei einem Tastenduell das außergewöhnliche Talent des Teenagers, hat aber weder Zeit noch Lust, sich um ihn zu kümmern, und missbraucht ihn als Kopisten für die gerade entstehende Oper "Don Giovanni".

Trotzdem zieht Ludwig auch aus dieser Begegnung seine Lehren: Mozart ist ein Superstar, aber finanziell von seinen adligen Gönnern abhängig; ein derartiges Dasein als Leibeigener ist mit der Freiheitsliebe des jungen Komponisten völlig unvereinbar. Den Widerstandsgeist des kleinen Ludwig illustriert Stein mit einer heiteren Szene, als der Junge sich zwar vor der fürstlichen Kutsche verbeugt, ihr aber gleichzeitig die Zunge rausstreckt. Der Preis, den der ältere Beethoven für seine künstlerische Unabhängigkeit zahlen muss, ist jedoch hoch, denn von irgendwas muss er ja leben; in dieser Hinsicht haben sich die Rahmenbedingungen für freischaffende Künstler kaum verändert. Entsprechend frustriert fällt am Lebensende sein Fazit aus: "Es wird immer Fürsten und Knechte geben."  Der ausschweifende Lebensstil Mozarts bildet zudem einen deutlichen Kontrast zu den beengten Verhältnissen in Bonn, wo Ludwig alle Hände voll zu tun, die soziale Not der Familie zu lindern: Nach dem frühen Tod der Mutter verfällt sein Vater (Roland Kukulies) dem Alkohol.

Natürlich ist "Louis van Beethoven" auch Kostümfilm und Sittengemälde; Ludwig selbst macht sich über die "gepuderten Gecken mit Schönheitsflecken" lustig. Wie in allen großen Werken dieser Art rücken Ausstattung (Benedikt Herforth) und Kleidung (Veronika Albert) jedoch bald in den Hintergrund. Der Regisseur und sein langjähriger Kameramann Arthur W. Ahrweiler haben zwar für aufwändige und entsprechend prachtvolle Bilder gesorgt, aber dennoch ist das von der evangelischen Produktionstochter Eikon hergestellte Drama in erster Linie ein Schauspielerfilm. Stein, Schöpfer vieler großer TV-Filme (allen voran das Scientology-Drama "Bis nichts mehr bleibt", 2010, und die formidable Stuttgarter "Tatort"-Episode "HAL", 2016), hat auch die weiteren Rollen treffend besetzt. Für die gebürtige Bonnerin Silke Bodenbender war die Verkörperung von Ludwigs Förderin Helene von Breuning sicherlich ein besonders Vergnügen, selbst wenn die Frau eine Verbindung des jungen Komponisten mit ihrer Tochter (Caroline Hellwig) wegen des Standesunterschieds verhindert. Mit Hilfe dieser unerfüllten Liebe, der auch der alte Ludwig noch nachtrauert, schlägt Stein immer wieder Brücken in die Vergangenheit.

Andere Zeitsprünge ergeben sich aus der Musik, wenn sich der Komponist an ein Werk aus seinen jungen Jahren erinnert. Stein hat zwar auf ein "Best of" verzichtet, aber Beethovens Kompositionen spielen fast zwangsläufig die eigentliche Hauptrolle, denn um sie dreht sich alles. Einen besonderen Reiz verdankt der Film der durchaus riskanten Entscheidung, die Musik nicht nachträglich dazuzumischen, sondern während der Aufnahmen live durch ein Orchester (das Czech Ensemble Baroque) auf historischen Instrumenten einspielen zu lassen.