Abgesehen von seiner britischen Heimat dürften die treuesten Fans des walisischen Bestsellerautors Ken Follett hierzulande leben; von den 7 Millionen Exemplaren seines historischen Romans "Die Pfeiler der Macht" sind allein 2,7 Millionen in Deutschland verkauft worden. Kein Wunder, dass sich nach "Eisfieber" (2010 im ZDF) die Produktionsfirmen Constantin Television und Network Movie (eine ZDF-Tochter) vor einigen Jahren erneut zusammen getan haben, um die im viktorianischen England angesiedelte Geschichte zu verfilmen. Das Ergebnis ist ein Werk, das dank aufwändiger Ausstattung, großem Kostümbild und 1.300 Komparsen fast schon verschwenderisches Augenfutterfernsehen bietet.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Selbst 180 Minuten genügen jedoch kaum, um den knapp 650 Seiten des Buches gerecht zu werden. Autorin Annette Simon ("Die Stadt und die Macht") hat daher bei ihrer Adaption das einzig Richtige gemacht und sich auf den Kern des Romans konzentriert. Zwar stehen auch bei Follett Aufstieg und Fall des mächtigen Londoner Bankhauses Pilaster im Zentrum der Geschichte, doch drumherum gönnt sich der Autor das eine oder andere ausschweifend geschilderte Nebengeschehen, das von Simon mitunter radikal auf einen Nebensatz reduziert worden ist. Auf diese Weise bleibt allerdings einiges von Folletts Botschaft auf der Strecke, denn „Die Pfeiler der Macht“ ist nicht bloß eine von unglücklicher Liebe, brennender Eifersucht und krankhaftem Ehrgeiz geprägte Familiensaga.
Die kritische Schilderung des frühkapitalistischen Londoner Geldmarktes im späten 19. Jahrhundert liest sich wie ein hellsichtiger Kommentar zur Finanzkrise der letzten Jahre; dabei ist Folletts Roman bereits 1994 erschienen. Bei Simon geht es allerdings vor allem um die Liebe, was aus Sendersicht verständlich ist; für jeden der acht Millionen investierten Euro hätte das ZDF gern pro Folge einen Zuschauer gehabt (tatsächlich haben bei der Premiere im Jahr 2016 insgesamt knapp 10 Millionen Menschen eingeschaltet). Andererseits sind Folletts Bücher nicht deshalb weltweit so beliebt, weil sie in erster Linie aus Sozialkritik bestehen; seine Erfolgsparameter sind Sex, Gewalt und große Gefühle.
Dass der Film dennoch mehr ist als bloß ein opulentes Sittengemälde, dürfte vor allem am Regisseur liegen. Auf den ersten Blick war ein Werk dieser Art für Christian Schwochow ("Bad Banks") zumindest vor fünf Jahren eher ungewöhnlich; andererseits hat er nach eher kleinen Dramen wie "Novemberkind" mit dem Grimme-preisgekrönten Dreiteiler „Der Turm“ über den schleichenden Untergang der DDR bewiesen, dass er einen epischen historischen Stoff über mehrere Teile hinweg fesselnd erzählen kann; das gelingt ihm auch hier. Die schauspielerischen Leistungen sind ausnahmslos gut, zumal sich der englische Hauptdarsteller Dominic Thorburn ausgezeichnet ins ansonsten ausschließlich deutschsprachige Ensemble einfügt. Schwochows Stammkameramann Frank Lamm hat zudem für teilweise betörend schöne Bilder gesorgt.
Auch Schwochows Regieleistung kann allerdings nicht verhindern, dass die episodische Erzählweise gerade zu Beginn etwas sprunghaft anmutet, während sich die Kamera mitunter etwas länger als nötig an Darbietungen am Rande ergötzt, weil sich die teuren Produktionskosten optisch amortisieren müssen. Andererseits macht dies natürlich auch den Reiz solcher Filme aus, und gerade die Nachbildung des Londoner Elendsviertels Whitechapel sieht sehr authentisch aus. Hier lebt Maisie (Laura de Boer), die mittellose Heldin der Geschichte, die sich in Hugh Pilaster verliebt, einen begabten jungen Mann, der nach dem Selbstmord seines Vaters von seinem Onkel Joseph (Thorsten Merten) aufgenommen wird und in der Bank Karriere macht. Die Liebe von Hugh und Maisie steht jedoch unter keinem guten Stern. Als er schließlich nach Amerika auswandert, bleibt sie allein zurück; und schwanger. Jahre später kehrt Hugh als gemachter Mann heim, aber Maisie hat mittlerweile seinen einstmals besten Freund geheiratet.
Das Ensemble ist eine gute Mischung aus etablierten Fernsehschauspielern und kaum bekannten Nachwuchstalenten. Herausragend ist Axel Milberg als Hughs Onkel Samuel, der den Vorstand der Bank verlassen muss, weil er aus seiner Homosexualität keinen Hehl macht, sowie Jeanette Hain als von Ehrgeiz zerfressene Gattin Josephs, deren Intrigen die Bank schließlich in den Abgrund treiben. Eine interessante Figur ist auch Hughs Frau, weil Yvonne Catterfeld die Sängerin als moderne Amerikanerin verkörpert.
Weitere Nebenfiguren sind ähnlich markant besetzt; in Erinnerung bleibt zum Beispiel Maria Dragus als Hughs Cousine Clara, die sich nicht abfinden will mit der Rolle, die Frauen in jenen Jahren zugedacht war, und in einem scharfzüngigen Journalisten (David Bennent) einen unerwarteten Seelengefährten findet. Die Holländerin Laura de Boer passt ebenfalls gut in diesen Reigen, auch wenn ihr hörbarer Akzent zunächst etwas irritiert. 3sat zeigt beide Teile hintereinander.