Immerhin greift der Krimi, der wieder dem üblichen Schmunzelschema entspricht, die Historie von Münster auf: Die Stadt hat vor knapp 500 Jahren zur Zeit der Wiedertäufer ein äußerst bewegtes und zum Teil recht grausames Kapitel ihrer Geschichte erlebt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung beginnt mit der obligaten Leiche: Schlossherr Radtke ist bei einer nächtlichen Wanderung über sein Anwesen in voller Rüstung in den Burggraben gestürzt und ertrunken; offenkundig ein Unfall, zumal der alte Herr unter Demenz litt, aber sein Gespür lässt Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl) ahnen, dass mehr dahinter steckt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn für die Familie des Opfers sind ausnahmslos Schauspieler ausgewählt worden, denen die Sympathien des Publikums nicht automatisch zufliegen dürften: Den Sohn spielt Fabian Harloff, die Tochter Sandra Borgmann, und die zweite Gattin, deutlich jünger als ihre Stiefkinder, wird von Violetta Schurawlow verkörpert. Weil alle drei unter der Anleitung von Regisseurin Buket Alaku? alles tun, damit die Figuren auch möglichst verdächtig wirken, drängen sich umgehend mögliche Motive auf: Haben der Sohn und die junge Witwe ein Verhältnis und den Alten aus dem Weg geräumt? Radtke senior hat sein Vermögen als Besitzer von Fahrgeschäften gemacht und galt als König der Schausteller; wollte die Tochter an seiner Stelle Königin werden? Zumindest hat sie ehrgeizige Pläne: Sie will aus dem Anwesen einen Freizeitpark über die Geschichte der Wiedertäufer machen. Das bevorstehende Geburtstagsfest zu Ehren des Burgherrn sollte gleichzeitig ein Event für potenzielle Sponsoren werden und daher auf jeden Fall stattfinden – die Show muss weitergehen. Und dann taucht aus heiterem Himmel ein Indiz auf, das ein mehr als unrühmliches Licht auf die frühere Burgbesitzerin (Justine Hauer) wirft.
Selbstredend ist der Fall jedoch bloß scheinbar gelöst. Und nicht nur das: Es dauert noch eine ganze Weile bis zum Finale, bei dem sogar das BKA mitmischt, weil die Beamten mit dem Auftauchen eines der meistgesuchten Verbrecher Europas rechnen. Gegen Ende gibt es zwar ein paar Überraschungen, aber bis dahin zieht sich der Krimi sogar ein wenig; selbst wohlwollende Fans von Thiel und Boerne (Jan Josef Liefers) werden einräumen müssen, dass die Dialoge diesmal nur unterdurchschnittlich lustig sind. Zudem wirkt der Film auffällig sparsam. Über weite Strecken trägt sich die Handlung an bloß drei Schauplätzen zu: in der Burg, im Kommissariat sowie in Boernes rechtsmedizinischem Institut, und es lässt sich förmlich erahnen, dass die jeweiligen Szenen unmittelbar hintereinander gedreht worden sind. Natürlich gibt es die gewohnten Frotzeldialoge, in denen sich Boerne zum Beispiel über das Gesichtsgestrüpp des Polizisten lustig macht, außerdem erfreut Liefers mit einer verblüffenden Tanzeinlage; aber mehr als ein Lächeln ist nicht drin. Eine gewisse Zähigkeit des Films resultiert auch aus dem Bemühen, die Nebenfiguren des Ensembles zu beschäftigen; eine Angelszene des Kommissars mit seinem Vater (Claus D. Clausnitzer) ist völlig überflüssig. Für Thiels Mitarbeiter Schrader wiederum, den Nachfolger von Nadeshda, hat die Redaktion noch kein überzeugendes Rollenschema gefunden, auch wenn sich Björn Meyer redlich bemüht.
Interessant sind immerhin die Ausflüge in die Vergangenheit, zumal Autor Benjamin Hessler die unvermeidlichen Informationsdialoge geschickt als historischen Besserwisserwettstreit zwischen Thiel und Boerne gestaltet. Trotzdem reicht "Es lebe der König!" bei Weitem nicht an Hesslers letzte Drehbücher heran: In "Spieglein, Spieglein", ebenfalls ein "Tatort" aus Münster, suchte das Duo einen Mörder, der Doppelgänger der Menschen aus ihrer Umgebung meuchelte. Noch ausgefallener war das heitere Märchen "Größer als im Fernsehen" (ebenfalls ARD, beide 2019), das eine originelle Geschichte rund um Janina Fautz als Erbin einer Dorfkneipe mit Kritik am Privatfernsehen kombinierte. Auch Grimme-Preisträgerin Alaku? ("Eine andere Liga", 2007) hat schon weitaus mitreißendere Filme gedreht, allen voran die Multikulti-Komödien "Einmal Hans mit scharfer Soße" (2013), "Der Hodscha und die Piepenkötter" (2016) und "Eine Braut kommt selten allein" (2017).