Anders als bei der Premiere, die nach gutem Auftakt zu einem konventionellen Krimi wurde, bleibt die Handlung diesmal interessant: Als eine Frau erschlagen in der Waschküche eines Mehrfamilienhauses gefunden wird, deutet alles auf eine Beziehungstat hin, zumal die "Waffe", ein Hammer, aus dem Werkzeugkasten ihres Lebensgefährten stammt. Martin Brambach verkörpert diesen Mann auf ebenso unverwechselbare wie unnachahmliche Weise: Bernd Siebert ist völlig durch den Wind und bringt kaum ein vernünftiges Wort über die Lippen. Brambach hat ganz erheblichen Anteil an der Kurzweiligkeit des ersten Filmdrittels, aber dann verschwindet Siebert in der Untersuchungshaft und der Schauspieler aus dem Film, was ausgesprochen schade ist, weil die weiteren Gastdarsteller bei Weitem nicht seine Präsenz erreichen: "Das Mörderhaus" besteht über weite Strecken aus Befragungen, denen Regisseurin Vivian Naefe wie schon in der ersten Episode keine nennenswerte Spannung abgewinnt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Immerhin ist die Handlung abwechslungsreich, zumal es parallel zum Mord einen weiteren Todesfall gegeben hat, wenn auch offenkundig ohne Fremdeinwirkung: Ein Mann ist an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben, weil er seinen Holzkohlegrill im Zimmer aufgebaut hat. Je intensiver sich Maike Riem und ihr Team mit den Hausbewohnern beschäftigen, umso deutlicher wird, dass alle ein Motiv gehabt hätten, Sieberts Freundin zu töten; im Grunde haben sie alle eine Leiche im Keller, und das nicht nur buchstäblich. Leider bekommen die Figuren – das Drehbuch stammt erneut von Friedrich Ani und Ina Jung – nicht genug Tiefe, um wirkliches Interesse zu wecken. Trotzdem konnten erfahrene Schauspieler:innen (unter anderem Johanna Gastdorf, Robert Stadlober und Bernd Michael Lade) für die Rollen gewonnen werden, was allerdings auch nötig war, weil man ansonsten leicht den Überblick verlieren könnte. Neben den Bewohnern spielt auch der Hausbesitzer (Johann von Bülow) eine wichtige Rolle: Er möchte seine Mieter gern loswerden, um das Gebäude von Grund auf zu sanieren und in ein Ärztehaus umzuwandeln. Als sich herausstellt, dass seine 15-jährige Tochter seit der Mordnacht verschwunden ist, nimmt der Fall eine überraschende Wendung.
Während die Geschichte also anders als beim ersten Film ("Der lange Schatten des Todes") tatsächlich "abendfüllend" ist, offenbart die Zusammensetzung des Ermittlerteams diesmal deutliche Schwächen. Das gilt vor allem für die von Annika Blendl verkörperte Pia Walther: Die stets in eine hautenge Lederhose und auch sonst überwiegend in Schwarz gekleidete Kommissarin zeichnet sich durch einen gewissen Mangel an Impulskontrolle aus, weshalb ihre Befragungen, bei denen sie gern auch mal aus der Haut fährt, stets wie ein Kreuzverhör klingen. Das ist jedoch ein bisschen wenig, um aus einer Figur auch eine Persönlichkeit zu machen, zumal die Darstellerin nicht recht zur Rolle passt. Auch die weiteren Team-Mitglieder kommen nicht über jeweils zwei Merkmale hinaus: Christoph Hofherr (Shenja Lacher) ist glücklicher Familienvater mit russischen Wurzeln, Linus Roth (Anton Spieker) ist technisch brillant, im mitmenschlichen Umgang aber etwas limitiert. Bei der Teamchefin bedient sich das Autorenduo eines Tricks, um die Figur zu vertiefen: Sie bekommt Besuch von ihrem beim Vater in Berlin lebenden heranwachsenden Sohn. Dessen einzige Funktion innerhalb der Handlung ist ein Gespräch über die Vergangenheit der Mutter (im Fachjargon "Backstory"): Der Junge hat durch Zufall rausgefunden, dass er einen verstorbenen Onkel hat; der Tod von Riems Bruder war der Grund, warum sie damals Polizistin geworden ist.
Faszinierend und nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal sind allerdings Roths dreidimensionale Aufnahmen, mit deren Hilfe das Quartett den Tatort auch später noch inspizieren kann; diese Idee ist weitaus origineller als die doch recht bemüht wirkenden Versuche, die Team-Mitglieder von der Masse der Ermittler abzuheben. Hinzu kommen einige unglücklich formulierte Dialoge, mit denen Ani und Jung gerade Blendl keinen Gefallen getan haben. Komplett überflüssig ist auch der Epilog, bei dem Riemer, die Mitglieder ihres Teams vorstellt, während das Quartett die Lösung des Falls bei einem Kegelabend feiert.