Nebenkläger: Synagogen-Attentäter soll nie wieder auf freien Fuß

Nebenkläger: Synagogen-Attentäter soll nie wieder auf freien Fuß
22. Prozesstag im Halle-Prozess: In ersten Plädoyers der Nebenklagevertreter wurde noch einmal den Opfern des Synagogen-Anschlags Raum gegeben. Die Anwälte fordern, dass der Angeklagte nie wieder auf freien Fuß gesetzt wird.

Magdeburg (epd). Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter von Halle haben am Dienstag die ersten neun Nebenkläger lebenslange Freiheitsstrafen und anschließende Sicherheitsverwahrung für Stephan B. gefordert. Der Anwalt der Mutter des erschossenen 20-jährigen Kevin S. bat darum, die gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit B. nie wieder in Freiheit komme. Der Attentäter habe Kevin S. in dem Döner-Imbiss kaltblütig erschossen und der Mutter auf "ekelhafteste und perverseste Weise ihr Kind genommen". Die Mutter selbst war das erste Mal bei dem Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg anwesend, der aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg stattfindet.

Auch der Anwalt des Vaters von Kevin S., Erkan Görgülü, forderte in seinem Plädoyer, den Attentäter nie wieder auf freien Fuß zu lassen. Stephan B. habe Kevin S. qualvoll hingerichtet: "Dieser Mann ist gefährlich, er war es, er ist es und er macht keinen Hehl daraus." Der Anwalt schloss seinen Vortrag mit den letzten Worten des 20-Jährigen. Kevin S. hatte, bevor er erschossen wurde, mehrfach gefleht: "Nein, bitte nicht. Nein, nein, bitte nicht...".

Der Anwalt des Döner-Imbiss-Besitzers Ismet Tekin will anders als in der Anklageschrift einen weiteren Mordversuch gewertet wissen. Tekin war während des Anschlags zu seinem Imbiss zurückgegangen, wo B. auf offener Straße auf ihn geschossen hatte. Zugleich dankte Rechtsanwalt Onur Özata dem Gericht, Hass und Häme nicht geduldet und den Opfern im Prozess einen würdigen Rahmen gegeben zu haben. Tekin selbst ergriff auch das Wort und schloss sich seinem Anwalt an.

Die Anwältin eines Somaliers, der von B. angefahren wurde, forderte, diesen Tatvorwurf statt als gefährliche Körperverletzung als rassistischen Mordversuch zu werten. B. habe nicht gebremst, nicht gehupt, sei nicht ausgewichen. Die Anwältin verwies in diesem Zusammenhang auch auf jüngste gerichtliche "Raser-Entscheidungen" mit lebenslangen Freiheitsstrafen.

Eine weitere Anwältin verwies darauf, dass sich der Synagogen-Attentäter in einem bestimmten Umfeld radikalisiert habe und darum kein isolierter Einzeltäter sei. Rechtsanwältin Kati Lang beklagte, dass die von B. vor der Synagoge ermordete Passantin Jana L. im Prozess gesichtslos geblieben sei und zu wenig über ihre Identität gesprochen wurde.

Insgesamt gibt es 43 Nebenkläger, darunter Besucher der Jom-Kippur-Feier in der Synagoge am 9. Oktober 2019. Die Bundesanwaltschaft hatte vergangene Woche in ihrem Plädoyer für den Rechtsterroristen eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert unter anderem wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten wie Volksverhetzung und Körperverletzung. Ein Urteil wird für den 21. Dezember erwartet.

B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Er scheiterte an der Tür zum Synagogen-Gelände, erschoss dann die 40-Jährige Jana L. und den 20-jährigen Kevin S. in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen.