Studie: Vor allem Frauen stecken in der Minijob-Falle

Studie: Vor allem Frauen stecken in der Minijob-Falle
Eine Teilzeitstelle bringt mehr Geld als ein Minijob? Nicht unbedingt. Für Zweitverdienerinnen oder Alleinerziehende lohnt sich rechnerisch eher letzteres. Und damit stecken sie in der Minijob-Falle, wie eine Studie zeigt. Der DGB mahnt Reformen an.

Gütersloh/Berlin (epd). Minijobs mit bis zu 450 Euro im Monat sind einer Studie zufolge für Mütter oft finanziell attraktiver als ein sozialversicherter Job. Grund sei das Steuer- und Sozialversicherungssystem in Deutschland, das mehrheitlich für Frauen falsche Anreize setze, heißt es in der am Dienstag in Gütersloh veröffentlichen Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

So würden Zweitverdienende in Paarhaushalten mit hohen Steuern und Abgaben belastet, wenn sie eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung aufnehmen. Ein Wechsel von einem Mini- in einen sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjob rechne sich für sie kaum. Auch für Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohn sei die Aufnahme eines Kleinstjobs bis 100 Euro monatlich attraktiver, als sich einen festen Arbeitsplatz zu suchen.

Die Volkswirte Andreas Peichl und Maximilian Blömer vom Münchner ifo-Institut haben in der Studie die sogenannte Partizipationsbelastung auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) berechnet. Die Untersuchung beschreibt, wie viel Prozent des individuellen Bruttoeinkommens als Steuern und Abgaben sowie durch Transferentzug vom Staat einbehalten werden.

Von 7,6 Millionen Ehefrauen im Erwerbsalter haben den Angaben zufolge rund drei Viertel ein geringeres Einkommen als der Mann und sind demnach Zweitverdienerinnen. Verdient ein Mann 48.000 Euro brutto im Jahr, würde seine Frau bei einem Stundenlohn von zehn Euro und einem Minijob mit etwa zehn Wochenstunden 5.400 Euro im Jahr hinzuverdienen. Das alles ohne Abzüge aufgrund der Sonderregelung für Minijobs.

Wählt sie stattdessen einen Teilzeitjob mit doppelt so vielen, also 20, Wochenstunden bei gleichem Bruttostundenlohn, bleiben der Familie 6.293 Euro im Jahr zusätzlich - lediglich knapp 900 Euro mehr als per Minijob mit halber Arbeitszeit. "Eine Zweitverdienerin müsste doppelt so viel arbeiten, um nicht einmal 1.000 Euro mehr im Jahr in der Tasche zu haben", kritisierte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Noch stärker würden allerdings die Einkommen von Alleinerziehenden - und damit meistens Mütter - im Niedriglohnbereich belastet, hieß es. Für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern rechne sich beispielsweise bereits eine Beschäftigung über den Kleinstjob hinaus kaum. Denn verglichen mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II blieben ihnen bei der Aufnahme eines Minijobs 2.040 Euro im Jahr beziehungsweise 38 Prozent ihres zusätzlich verdienten Einkommens übrig. Bei zehn Euro Bruttostundenlohn seien es in einem Teilzeitjob im Umfang von 20 Wochenstunden 3.040 Euro jährlich und damit gerade einmal 29 Prozent ihres Bruttohinzuverdienstes.

Am höchsten ist der Untersuchung zufolge die Belastung für Alleinstehende ohne Kinder im Niedriglohnsektor. Entscheiden sie sich für eine Vollzeitbeschäftigung von 40 Stunden Wochen, bleiben ihnen gerade mal 25 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Das seien bei einem Bruttostundenlohn von zehn Euro 5.283 Euro pro Jahr mehr als in Arbeitslosigkeit mit dem entsprechenden Bezug staatlicher Sozialleistungen, hieß es.

Frauen und Mütter müssten aus der Falle der Kleinst- und Minijobs befreit werden, forderte Dräger. Dazu sollten für Alleinstehende und Alleinerziehende die Hinzuverdienstregelungen angepasst werden. Auch der Steuertarif für Ehepaare, das sogenannte Ehegattensplitting, bedürfe Korrekturen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die SPD mahnten eine Reform der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse an. "In der Corona-Krise haben viele der Minijobberinnen von heute auf morgen ihre Arbeit verloren, vorläufige Endstation Grundsicherung", sagte das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Es sei deshalb "allerhöchste Zeit", dass Niedriglohntätigkeiten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden. Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte: "Job ist nicht gleich Job." Nur ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gebe eine mittel- und langfristig soziale Sicherheit.