Zuversichtsbrief Woche 37 - Ihr sollt einander wiedersehen

Isaak und Ismael
©Kylo/Unsplach
Der Zuversichtsbrief
Zuversichtsbrief Woche 37 - Ihr sollt einander wiedersehen
Sieben und mehr Wochen Zuversicht

Das ist aber Abrahams Alter, das er erreicht hat: hundertfünfundsiebzig Jahre. Und Abraham verschied und starb in einem guten Alter, als er alt und lebenssatt war, und wurde zu seinen Vätern versammelt. Und es begruben ihn seine Söhne Isaak und Ismael in der Höhle von Machpela auf dem Acker Efrons, des Sohnes Zohars, des Hetiters, die da liegt östlich von Mamre auf dem Felde, das Abraham von den Hetitern gekauft hatte. Da ist Abraham begraben mit Sara, seiner Frau.

1. Mose 25,7-10 (Hier vorgelesen von Helge Heynold)

Liebe Verstreute,

trotz aller Dunkelheit draußen, trotz allen Streits in der Welt und aller Einschränkungen um uns herum: Wir dürfen zuversichtlich bleiben. Dieser Satz klingt eher abschließend als wie eine Eröffnung, aber es hat seinen Grund, warum ich damit beginne: Ich habe bei der Suche nach weiteren Zuversichtstexten in der Bibel entdeckt, wie häufig sie von scheinbar aussichtslosen Situationen erzählt, die sich letztendlich wieder auflösen. Dafür muss nicht immer Gott seine Hand direkt im Spiel haben.

Die kleine Passage für diese Woche ist so ein Beispiel. Erzählt wird das Wiedersehen zweier Brüder, die auseinandergerissen worden waren. Zu Erinnerung: Als Abraham und Sara keine Kinder miteinander bekamen, zeugte Abraham einen Sohn mit Hagar, der ägyptischen Dienerin von Sara. Sofort waren Spannungen in der Familie. Hagar war schwanger mit ihrem Sohn Ismael und fühlte sich nun nicht mehr an die bisherigen Machtverhältnisse gebunden. Als Sara schließlich doch ihren Sohn Isaak gebar, bestand sie darauf, dass Hagar und Ismael verjagt würden. So geschah es, und beinahe wären die beiden in der Wüste verdurstet, wenn Gott Hagar nicht eine Quelle gezeigt hätte. An dieser Stelle scheint es, dass Isaak und Ismael einander niemals wiedersehen werden. Beide tragen außerdem die Verheißung auf ihre Schultern, dass aus ihnen einmal ein großes Volk werden wird. Tatsächlich betrachten sich bis heute die Juden als die Nachfahren Isaaks, während die Muslime ihre Herkunft von Ismael ableiten.

Bedenkt man, wie viele Spannungen zwischen Juden und Muslimen bestehen, ist die Situation der beiden Brüder nach ihrer Trennung noch tragischer und erscheint noch auswegloser. Aber dann stirbt ihr Vater Abraham, und Isaak und Ismael beerdigen ihn gemeinsam. Die Bibel erzählt nicht, wie die beiden miteinander Kontakt aufgenommen haben oder wer den ersten Schritt machte. Aber irgendwie müssen sie es getan haben: Sie treffen sich am Grab, das Abraham einst für Sara kaufte. Dieses Wiedersehen ist eine große Chance für die beiden Männer, die einander nur als Kinder kennen. Sie können an diesem Tag mit ihrem Vater auch den Streit begraben, der sie einst trennte. Was sie wohl miteinander besprochen haben? Vermutlich haben sie über ihren Vater geredet. Vielleicht haben sie ein paar schöne Erinnerungen ausgetauscht. Gut möglich ist es auch, dass sie einander von ihren schlimmen Erlebnissen erzählten, die sie mit ihrem Vater verbindet. Ismael könnte von dem Tag erzählen, an dem Abraham ihn und seine Mutter in die Wüste schickte. Isaak könnte davon berichten, wie Abraham ihn beinahe umgebracht hätte, weil er Gott gehorchen wollte.

Ich mag mir vorstellen, dass die beiden Brüder sich in dieser Höhle von Machpela nahegekommen sind. Ich möchte hoffen, dass sie traurig waren – miteinander und auch für einander und für das, was ihnen geschehen war. Vielleicht war es einfach die Konvention, die sie dazu brachte, einander wiederzusehen, weil man das eben so tut, den gemeinsamen Vater auch gemeinsam zu beerdigen. Ich halte es für gut, dass wir bestimmte Dinge einfach tun, weil wir das Gefühl haben, dass es sich so gehört. Wir müssen nicht immer abwägen, wir müssen nicht immer das Richtige tun wollen.

Wenn Menschen wie Ismael und Isaak sich wiedersehen können, obwohl das Schicksal sie so nachhaltig auseinandergetrieben hat, kann uns das auch zuversichtlich stimmen, dass wir all die wiedersehen werden, die wir in diesen Tagen vermissen. Außerdem kann uns die kommende Zeit Gelegenheit bieten, einmal an die „Verflossenen“ zu denken, an diejenigen, zu denen unser Kontakt abgebrochen ist, lange vor Pandemie und Lockdown. Darum lautet meine Wochenaufgabe für Sie: Suchen Sie nach einer Person, die in Ihrer Vergangenheit wichtig war, und nehmen Sie wieder Kontakt auf. Geben Sie ein Lebenszeichen von sich! Es muss ja nicht zu einer tränenreichen „Wiedervereinigung“ führen. Wir wissen ja auch nicht, wie Isaak und Ismael nach dem Begräbnis miteinander umgegangen sind. Lassen Sie einen Menschen, der nicht mehr damit rechnet, wissen, dass Sie an ihn gedacht haben. Schauen Sie zuversichtlich zu, was daraus wird.

Ich wünsche Ihnen eine lichte Novemberwoche!

Ihr Frank Muchlinsky