Der Manager (Barnaby Metschurat) hat bis zu seiner Verhaftung während eines Florida-Urlaubs für einen großen schwäbischen Automobilzulieferer gearbeitet. Als rauskam, dass die Firma in Indien in großem Stil bestochen hat, ist das Unternehmen in den USA verklagt worden. Flugs wurde Manlik zum Sündenbock gemacht. Die Führungsspitze war fein raus, aber der Mitarbeiter steht nach seiner Rückkehr vor den Trümmern seiner Existenz: Der Job ist weg, die Ehe zerbrochen. Als die Personalchefin des Konzerns tot im Wald gefunden wird und eine Bombe unterm Auto des Vorstandsvorsitzenden explodiert, brauchen die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz (Richy Müller, Felix Klare) nicht lange, um in Manliks Hotelzimmer aufzutauchen. Er räumt zwar ein, vom Vorstandsvorsitzenden Bässler (Stephan Schaad) eine Ausgleichzahlung in Millionenhöhe gefordert zu haben, tischt ansonsten aber eine irre Geschichte auf: Der Konzernchef habe die Vorstandskollegin als Mitwisserin aus dem Weg geräumt und die Bombe selbst platziert, um seine Hände öffentlich in Unschuld waschen zu können. Als auch Manlik nur knapp einem Mordanschlag entkommt, fragen sich die Ermittler, ob seine Verschwörungstheorie womöglich stimmt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Regiedebüt von Gerd Schneider, "Verfehlung" (2015), war ein sehenswertes Drama über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch. Zuletzt hat er für den SWR "Now or never" (2020) gedreht, eine toll gespielte Tragikomödie über einen nihilistischen Sterbehelfer, der mit Hilfe einer unheilbar kranken jungen Frau neuen Sinn im Dasein findet. An diese Qualität kann "Der Welten Lohn" nur bedingt anknüpfen. Durchgehend herausragend ist allerdings die sehr präsente Musik von Gary Marlowe, die ständig eine latente Bedrohung signalisiert und selbst einer Verfolgungs-"Jagd" im Spaziergehtempo zu unerwarteter Spannung verhilft. Da Drehbuchautor Boris Dennulat jedoch früh verrät, dass der von Barnaby Metschurat mit großem Engagement verkörperte Manlik die Bombe unter Bässlers Luxuslimousine platziert hat, bleibt bloß offen, ob er auch etwas mit dem Ableben der Personalchefin zu tun hat. Diesen Aspekt verliert der Krimi zwischendurch jedoch aus den Augen. Fesselnd ist "Der Welten Lohn" daher vor allem wegen der Frage, wie heil Manlik aus der Sache rauskommt, denn der ebenso skrupellose wie undankbare Bässler ist offenbar bereit, den Ruf des Konzern um jeden Preis zu verteidigen.
Wie in dem Stuttgart-Krimi "Der Mann, der lügt" (2018) sind die beiden Ermittler im Grunde nur Nebenfiguren. In dem formidablen "Tatort" ging es um einen Mann, der sich immer tiefer in ein Netz aus Lügen verstrickte und zunehmend verfiel; Manuel Rubey hat das ganz vorzüglich gespielt. Barnaby Metschurat ist ein völlig anderer Typ. Ihm fehlt nicht nur die Jungenhaftigkeit Rubeys, die unwillkürlich Sympathie für die Titelfigur weckte; er versucht auch gar nicht erst, Manlik als liebenswürdigen Menschen darzustellen. Die Empathie muss sich daher im Umweg über sein empörendes Schicksal einstellen, weshalb das Mitgefühl nicht von Herzen, sondern vom Kopf kommt. Weil sich Schneider dessen wohl bewusst war, gibt es mehrfach kurze Einschübe, die Anteilnahme wecken sollen: Wenn Manlik seiner Frau Caroline (Isabelle Barth) begegnet, illustrieren kurze Momentaufnahmen seine Erinnerungen an bessere Zeiten. Treffendstes Bild für seine Situation ist ein Mietcontainer, in dem Caroline seine Sachen eingelagert hat: Hier hat er sein gesamtes früheres Leben vor sich; so nah und doch so fern. Etwas befremdlich muten dagegen die Schreie an, mit denen Manlik zwischendurch seinem Zorn Luft macht, zumal sie nicht zu hören, sondern nur zu sehen sind. Diese Gefühlsausbrüche sind allerdings nachvollziehbarer als die unmotiviert eingestreuten Zeitlupenstudien.
Ähnlich polarisierend sind die Auftritte von Stephan Schaad. Er spielt solche Typen oft und unverwechselbar: Bässler ist arrogant bis zum Anschlag. Sicherlich gibt es Fossilien dieser Art, die über die Vollkasko-Mentalität ihrer Mitmenschen lamentieren ("Schuld ist immer jemand da oben"), und Sätze wie "Wirtschaft ist Krieg" fallen in solchen Kreisen garantiert ebenfalls; trotzdem wirkt die Figur auch aufgrund von Schaads konsequent abstoßender Verkörperung überzeichnet. Originell ist immerhin die Idee, Bässler die Soße auf seinem Teller benutzen zu lassen, um die Gaußsche Normalverteilung und damit das vermutete Mittelmaß der beiden Ermittler zu veranschaulichen. Dass der Vorstandsvorsitzende, offenbar gelernter Ingenieur, angesichts von Manliks Drohungen eine "Abschaltvorrichtung" aktiviert, passt ins Bild. Moral allerdings kann er sich gar nicht leisten: Würde er Manlik wieder einstellen, wäre dies ein Signal an die amerikanischen Ankläger, dass die Firma die Bestechungsaktion des Managers nicht nur geduldet, sondern auch initiiert hat.
Dennulat war als Koautor an einigen sehenswerten Produktionen beteiligt, darunter die ZDF-Serie "Wer rettet Dinah Foxx?" (2011) oder der Gangsterfilm "Alle meine Jungs" (2014), ein "Tatort" aus Bremen. Sein Drehbuch zu "Der Welten Lohn" hat allerdings hörbare Schwächen. So müssen Bootz und Lannert zu Beginn ein typisches Informationsgespräch führen, als der eine dem anderen erklärt, warum sich die US-Justiz für die Bestechungen eines deutschen Konzerns in Indien interessiert. Natürlich gibt es Zuschauer, die das nicht wissen, aber es ist regelmäßig ernüchternd, dass TV-Kommissare offenbar keine Zeitung lesen. Amüsanter Ausgleich sind überraschende Momente wie der Auftritt des Rechtsmediziners (Jürgen Hartmann), der dem Fall gegen Ende mit Hilfe eines Ahornflügels eine entscheidende Wende gibt und die Präsentation des Indizes mit Theodor Storms Sommergedicht "Ein grünes Blatt" garniert. Lannert krönt die Szene, indem er zurückreimt: "Doch manchmal vor Gericht braucht’s mehr als ein Gedicht."