Also ist der Potsdamer Meteorologe Klemens (Oliver Mommsen) nicht nur Witwer und ganz vernarrt in Wolken, die er in seinem Labor auch selbst herstellen kann, sondern zudem autistisch. Das rückt eine Romanze zwar automatisch in die Nähe von Graeme Simsions liebenswerten internationalen Bestseller "Das Rosie-Projekt", aber abgesehen von ein paar Kritikern stört sich an solchen Parallelen erfahrungsgemäß kaum jemand. Außerdem verblassen Anmerkungen dieser Art ohnehin, wenn das Ergebnis kurzweilige Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Klemens’ Schicksal nimmt seinen Lauf, als ein Traum in Erfüllung geht: Er darf das arktische Wetter erforschen. Die Familie, bestehend aus den Teenager-Kindern Nelli (Rieke Seja) und Carlo (Alessandro Schuster) sowie dem geistig noch sehr fitten betreuungsbedürftigen Vater Arthur (Peter Franke), soll ihn nach Spitzbergen begleiten. Aber Arthur weigert sich, im fortgeschrittenen Alter noch mal seine Wurzeln zu kappen, Carlo hat sich in die Schulschönheit Taiga (Elina Vildanova) verknallt, die ihn wundersamerweise auch sehr süß findet, und Nelli hat ohnehin keine Lust auf monatelange Dunkelheit.
Der Großvater hat die rettende Idee: Größer als die Leidenschaft seines Sohnes fürs Wetter war allein die Liebe zur verstorbenen Gattin. Wenn es Nelli und Carlo gelingt, eine Frau zu finden, für die Klemens ähnlich viel empfindet, wird er auf den Auftrag verzichten. Also richten sie ein Online-Profil ein und suchen nach geeigneten Kandidatinnen, müssen aber bald feststellen, dass ihr fast krankhaft penibler Vater nur schwer vermittelbar ist. Arthur hat derweil vorgesorgt und für den Fall der Fälle schon mal eine Pflegekraft engagiert. Lani (Minh-Khai Phan-Thi) ist Vietnamesin und der ganzen Familie auf Anhieb sympathisch; und sie mag Wolken.
Lani ist zwar Altenpflegerin, aber natürlich bedient sich der Film nun kräftig beim Romanzen-Genre "Ein Kindermädchen zum Verlieben". Damit die Sache nicht zu einfach wird, stellt Drehbuchautor Brix Vinzent Koethe (Gewinner des ARD-Degeto-Stoffentwicklungspreises "Impuls") dem potenziellen Paar eine weitere Hürde in den Weg: Lani ist in festen Händen. In Vietnam war sie Krankenschwester, dort hat sich Martin (Andreas Guenther) vor einigen Jahren in sie verliebt. Mittlerweile hat sie sich selbstständig gemacht, und das nicht nur beruflich, weshalb die Beziehung der beiden kleine Risse bekommt; das tendenziell konservative Publikum der Sendeplätze freitags im "Ersten" und sonntags im "Zweiten" mag es nun mal nicht, wenn der Preis fürs Happy End die Zerstörung einer intakten Verbindung ist. Aber dann geraten Nelli und Carlo in ein echtes Dilemma: Klemens’ Abteilung wird verkleinert. Wenn er den Forschungsauftrag absagt, verliert er seine Stelle; auf dem Arbeitsmarkt wird er noch schwerer zu vermitteln sein als auf dem Beziehungsmarkt.
Natürlich ist der Autismus der Hauptfigur kein Alleinstellungsmerkmal von "Papa auf Wolke 7", schließlich gibt es vom Hollywood-Klassiker "Rain Man" mit Dustin Hoffman bis zur ZDF-Reihe "Ella Schön" mit Annette Frier als Juristin mit Asperger-Syndrom diverse Vorbilder. Frier verzieht in ihrer Rolle keine Miene, und ganz ähnlich interpretiert Oliver Mommsen auch seinen Klemens: Er trägt seine präzise formulierten Dialoge sehr akzentuiert vor, hat aber die Körpersprache stark reduziert; im Grunde spielt er den Meteorologen nur mit Augen und Händen. Sehr sympathisch sind auch die vielen originellen Ideen in Koethes erstem verfilmten Drehbuch, allen voran Klemens’ quadratische Spiegeleier. Vierecke mit gleich langen Seiten sind ohnehin das probate Mittel des Autisten, Ordnung ins Leben zu bringen; das gilt auch für den Garten. Weil Lani das hübsch findet, legt er für sie auch so ein Beet an, allerdings mitten auf Martins gepflegtem Rasen; der ist entsprechend sauer. Witzig ist auch der Einfall, dass Klemens seine Mitmenschen förmlich mit Blicken durchbohrt, wenn ein Faden auf dem Kleid oder ein Haar auf dem Jackett das akkurate Erscheinungsbild beeinträchtigen.
Der Rest ist Handwerk, allerdings auf gehobenem Niveau. Farb-, Licht- und Bildgestaltung (Kamera: Peter Steuger) sorgen gemeinsam mit der Musik (Birger Clausen) für die typische sorglose "Endlich Freitag im Ersten"-Stimmung, und die Schauspieler gehen ausnahmslos in ihren Rollen auf. Minh-Khai Phan-Thi ist in ihrer Rolle bezaubernd, und auch das junge Trio bereitet viel Freude; wäre "Papa auf Wolke 7" eine ZDF-Komödie, würden Rieke Seja und Elina Vildanova vermutlich umgehend größere Rollen in einem Sonntagsfilm bekommen. Regisseur Markus Herling hingegen hat Nachwuchsförderung schon lange nicht mehr nötig. Abgesehen von dem anspruchsvollen erotischen Beziehungsdrama "Verführt - In den Armen eines Anderen" (2016, Sat.1) sind seine Fernsehfilme bislang ausschließlich für die ARD-Tochter Degeto entstanden. Dass Titel wie "Opa, ledig, jung" (2015), "Oma ist verknallt" oder "Opa wird Papa" (beide 2018) nicht unbedingt Qualität erwarten ließen, wird nicht seine Schuld gewesen sein. Außerdem hat er es stets verstanden, die zum Teil anrührenden Geschichten mit einer schönen Mischung aus Heiterkeit und Tiefgang zu erzählen. Für "Papa auf Wolke 7" gilt das nicht minder.