Brüssel (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich beim EU-Gipfel für ein verschärftes EU-Klimaziel für 2030 stark gemacht. Es sei wichtig, dass die EU-Staaten bis Dezember eine Vereinbarung erreichen, Deutschland unterstütze dabei eine Verringerung der Emissionen um 55 Prozent, sagte Merkel am Donnerstag in Brüssel. Das neue Klimaschutzziel ist eins der Hauptthemen des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs.
Es sollte am Donnerstag beim Abendessen besprochen werden, ohne dass schon eine Einigung angepeilt ist. Merkel sprach von einer "Orientierungsdebatte". Diese sei aber sehr wichtig, sagte sie mit Blick auf eine geplante Folgekonferenz der Madrider Klimakonferenz noch in diesem Jahr. "Und so muss die Europäische Union hier ihr Gesamtziel für 2030 auch noch einmal verbessern."
Das aktuelle Klimaziel der EU für 2030 stammt von 2014 und sieht minus mindestens 40 Prozent Emissionen verglichen mit 1990 vor. Die EU-Kommission hat eine Verringerung um mindestens 55 Prozent vorgeschlagen, wobei sie den Abbau von CO2 durch Senken wie Wälder berücksichtigen will. Das Europarparlament strebt eine Verringerung um 60 Prozent an, ohne Senken zu berücksichtigen, was den Unterschied zum Kommissionsziel vergrößert.
Im Vorfeld des Gipfels machten Umweltschützer Druck. So forderte Greenpeace von der Bundesregierung, eine Einigung auf ein Ziel sicherzustellen, das der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht werde. "Klimawissenschaftlich notwendig ist ein ambitioniertes Reduktionsziel von mindestens 65 Prozent ohne Rechentricks", erklärte die Organisation. Die Bundesregierung hat bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne und damit besondere Verantwortung.
Der Berliner Politikexperte Andrzej Ancygier forderte ebenfalls ein deutlich höheres Klimaziel. Ideal und wirtschaftlich sinnvoll wäre eine Verringerung um 65 Prozent, sagte der Forscher des Climate-Analytics-Instituts dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das Ziel muss den Versuch der EU widerspiegeln, die weltweite Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels wiederzuerlangen."
Eine Reihe von EU-Ländern hat sich unterdessen zum 55-Prozent-Ziel bekannt. "Der Klimawandel ist rund um die Welt sichtbar. Temperaturen steigen an, Wettersysteme ändern sich", hieß es in einer Erklärung von elf Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Lettland, Luxemburg und Spanien, die laut Diplomatenkreisen an alle Teilnehmerstaaten des Gipfels verteilt wurde. Darin wird gefordert: "Wir müssen uns in diesem Jahr darauf einigen, das Klimaziel 2030 auf 'mindestens 55 Prozent' zu erhöhen."
Demgegenüber gelten andere Länder als "Bremser", insbesondere Polen, wie aus EU-Kommissionskreisen verlautete. Polen bezieht einen großen Teil seiner Energie aus Kohle. Unterdessen signalisierte Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis, ein EU-Ziel von 55 Prozent mitzutragen. Tschechien selbst könne eine solche Marke allerdings nicht erreichen, andere Länder könnten dafür mehr tun, sagte Babis in Brüssel.
Ein solcher Ansatz, der das Gesamtziel der EU auf die einzelnen Länder verschieden verteilt, wird bereits praktiziert. Auch ein Entwurf der Schlussfolgerungen des Gipfels von Anfang der Woche weist in diese Richtung. Demnach sollen "nationale Umstände" berücksichtigt werden.
Weitere Themen des EU-Gipfels sind der Brexit, die Außenpolitik und die Corona-Krise. In der Brexit-Frage steht eine Einigung mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen noch aus. Bei der Außenpolitik soll es vor allem um Afrika gehen, auch die Beziehungen mit der Türkei und anderen Ländern könnten zur Sprache kommen. Mit Blick auf die Corona-Krise geht es um eine Koordinierung der Maßnahmen innerhalb der EU und Impfungen gegen das Virus.