Kiel (epd). Aus Sicht des Umweltphilosophen Konrad Ott befindet sich die Suche nach einem Atommüllendlager seit Vorlage des "Zwischenberichts Teilgebiete" im September in einer neuen Phase. "Jetzt geht das Schwarze-Peter-Spiel los. Denn natürlich will niemand den Müll vor der eigenen Haustür haben", sagte der Experte für Umweltethik von der Universität Kiel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Ott erforscht die politischen und ethischen Probleme der Endlagersuche, welche durch den Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) an Fahrt aufgenommen hat. Demnach kommen 54 Prozent der Fläche der Bundesrepublik für die Standortsuche infrage. Der umstrittene Standort Gorleben ist aus geologischen Gründen ausgeschieden.
Man könne es Ländern, Landkreisen und Kommunen nicht vorwerfen, wenn sie sich als rationale Akteure bemühen, ebenfalls aus dem Suchverfahren auszuscheiden, sagte Ott. Dennoch müsse ein Endlager her. Dieser Widerspruch könne gerade zur Lösung führen. Zum einen versuche jede Region, wissenschaftlich zu zeigen, warum sie ungeeignet ist. Dieser Wettbewerb könne helfen, am Ende einen möglichst guten Standort zu finden. Zum anderen wäre auch denkbar, dass sich sicherheitstechnisch geeignete Standortregionen freiwillig bereitfinden, Endlagerstandort zu werden.
Die Angebote zur Kompensation müssten nur attraktiv genug sein. Deshalb erforscht Ott aktuell verschiedene Kompensationsmodelle. Mit dem Ausbau der örtlichen Infrastruktur, den es in der Region um Gorleben gegeben habe, könne man heutzutage niemanden locken, erläuterte er: "Warum also nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine frühere Verrentung oder geringere Steuersätze anbieten? Oder die Region zu einer ökologischen Vorbildregion machen?"
Durch den 2011 beschlossenen Atomausstieg und das 2017 verabschiedete Standortauswahlgesetz sei endlich ein neuer Anfang gemacht worden. Niemand dürfe das Verfahren mutwillig behindern, sagte der Atomkraftgegner: "Früher konnte man gegen Endlager sein, weil man prinzipiell gegen Atomkraft war. Nach dem Ausstieg ist die Lage eine andere: Alle müssen jetzt bei der Suche konstruktiv mitwirken."
Unbewohnte Gegenden wie Wüsten kommen dabei nach seiner Ansicht nicht infrage. Das Endlager werde für eine Million Jahre gebaut. "Was in dieser Zeit über Tage passiert, weiß keiner. Vielleicht ist der australische Outback in ein paar hundert oder tausend Jahren ein beliebtes Siedlungsgebiet." Daher sei es richtig, dass sich Deutschland auf ein Exportverbot für Atommüll festgelegt hat. Noch abwegiger wäre es, den Müll in den Weltraum zu schießen. Wenn die Trägerraketen explodierten, sei der radioaktive Fallout vorprogrammiert.