Regisseur Urs Egger verzichtete auf die üblichen Spannungsverstärker und beschränkte sich darauf, die Kleinarbeit der Polizei zu schildern; trotzdem war der Film mit Heino Ferch als Soko-Leiter Ingo Thiel ziemlich spannend. Nun hat sich das Drehbuchduo Katja Röder und Fred Breinersdorfer mit den Duisburger Mafia-Morden aus dem Jahr 2007 eines weiteren authentischen Verbrechens angenommen. Erneut wirkt Eggers Umsetzung stellenweise wie ein Dokudrama ohne Interviews, zumal auch die Musik nur sparsam eingesetzt wird und nicht für gewohnte Thrillerspannung sorgt. "Die Spur der Mörder" ist womöglich noch sachlicher ausgefallen, sodass die wenigen Emotionen fast deplatziert anmuten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Film beginnt mit einer Hinrichtung: Ein italienischer Restaurantbesitzer wird nachts gemeinsam mit seinen Begleitern von zwei Männern auf offener Straße erschossen. Die Ermittlungen haben kaum begonnen, da wird Thiel bereits mit einer Kollegin von Interpol konfrontiert: Der Wirt war der Sohn von Luigi Russo, dem vor 15 Jahren spurlos verschwundenen Kopf eines einflussreichen Mafia-Clans. Carla Orlando (Verena Altenberger) ist Mafia-Expertin und soll die europäischen Ermittlungen koordinieren. Recht bald zeigt sich, dass der Mord für die Italienerin kein Fall wie jeder andere ist; die Hintergründe verrät sie Thiel allerdings erst später. Zunächst verzweifelt der Mönchengladbacher Kommissar jedoch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der italienischen Behörden: Das Auto des Opfers ist professionell verwanzt, aber der zuständige Staatsanwalt, Silvio Bertone (Stefano Viali), weigert sich, die Abhörprotokolle rauszurücken. Dabei führen die Ergebnisse der DNS-Auswertungen mitten in sein Revier: Die Täter stammen wie die Opfer aus einer bestimmten Gegend in Kalabrien. Dort herrscht seit Generationen ein Familienkrieg zwischen den Russos und den Costas, der schon weit über hundert Opfer gefordert hat. Die Mörder gehörten eindeutig zum Costa-Clan, aber der ist riesig; und die Mafia ist mächtig. Thiel und Orlando bleibt nichts anderes übrig, als nach Italien zu reisen und Bertone ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen kann. Der deutsche Polizist muss allerdings erst mal lernen, dass die wichtigste Voraussetzung für einen Deal mit einem Italiener "bella figura" ist.
Röder und Breinersdorfer sorgen zwar noch für einige Nebenschauplätze, etwa ein Kompetenzgerangel zwischen Thiel und dem Staatsanwalt (Joachim Król), der der Meinung ist, die Sache könnte eine Nummer für den Kommissar zu groß sein. Ansonsten dokumentiert der Film jedoch in erster Linie, wie hartnäckig, akribisch und einfallsreich die Ermittler vorgehen, um trotz strenger Datenschutzvorschriften Hinweise auf die Täter zu bekommen. Ziemlich ausgefuchst ist zum Beispiel die Methode, mit der die Beamten den Fahrzeugtyp der Mörder ermitteln, obwohl die Bilder aus der Überwachungskamera einer Tankstelle im Grunde unbrauchbar sind. Einer der beiden Täter ist tatsächlich rasch gefasst. Beim zweiten wissen die Polizisten, dass es sich um ein männliches Mitglied der Familie Costa handeln muss; aber davon gibt es Dutzende.
Anders als im Reihenkrimi verzichten Buch und Regie völlig auf Ausflüge ins Privatleben. Einzige Ausnahme ist ein kurzes Telefonat Thiels mit seinem Sohn, der offenbar bei der Mutter lebt; das erklärt, warum sich der Kommissar Tag und Nacht um den Fall kümmern kann. Natürlich sorgen die Dispute mit der italienischen Kollegin, die aus Südtirol kommt und daher deutsch spricht, für zusätzlichen Reiz, aber auch dieser Aspekt drängt sich nie in den Vordergrund. Aus dem auch darstellerisch sachlichen Rahmen fällt allein Marie Lou Sellem als Sofia Russo, Tochter des Clanchefs. Der ermordete Gastwirt war ihr Bruder, außerdem hat sie bei der Exekution einen Sohn verloren. Vor einigen Jahren ist bereits ihr Mann ermordet worden. Damals hat sie sich angeblich von der Familie losgesagt und ist nach Deutschland ausgewandert. Sellem muss ihr Deutsch daher mit einem seltsamen Akzent versehen und verkörpert ihre Rolle auch sonst etwas ungewöhnlich, als wolle sie ihr Spiel Magdalena Montezuma widmen; die Laienschauspielerin war in den Siebzigern und Achtzigern in Avantgarde-Dramen wie "Der Bomberpilot" von Werner Schroeter eine Art Star des experimentellen Films.