Kurz drauf ereilt die Täterin, eine Profimörderin aus Italien, ein nicht minder tödliches Schicksal, allerdings nicht, weil ihr Auftraggeber alle Spuren verwischen wollte: Da sie wegen eines Streiks am Flughafen nicht umgehend in ihre Heimat entschwinden konnte, musste sie eine Nacht im Hotel verbringen; dort ist sie an einem Stück Schinken erstickt. Linett Wachow und Otto Garber (Stefanie Stappenbeck, Florian Martens) hilft das allerdings nicht weiter: Wer würde für eine erkleckliche fünfstellige Summe einen Killer engagieren, um einen zwar stadtbekannten, ansonsten aber mutmaßlich harmlosen Friseur zu engagieren? Seine Ex-Frau (Julia-Maria Köhler) jedenfalls nicht. Eher schon ein gehörnter Ehemann, zumal es mit Patrick Schönfeld (Roland Koch), Inhaber einer florierenden Schönheitspraxis, in der Tat einen interessanten Kandidaten gäbe, denn Rohde hat ein Verhältnis mit dessen Gattin (Karin Giegerich). Und dann wäre da noch ein ehemaliger Mitarbeiter, der sich selbstständig gemacht hat und ein echter Konkurrent geworden ist: Rohde hat mit einem miesen Trick dafür gesorgt, dass Kai Franke (Vladimir Burlakov) nicht nur seinen Laden dicht machen, sondern auch mit einem Prozess rechnen muss. Außerdem hat Franke über seinen Lebensgefährten (Neil Malik Abdullah) Kontakte in die Unterwelt. Aber vielleicht galt das Attentat ja doch dem tatsächlichen Opfer, und der Friseur war der Drahtzieher; ein Motiv hätte er jedenfalls.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich ist die Wahrheit eine völlig andere; zumindest in dieser Hinsicht erfüllt das Drehbuch von Krimi-Routinier Leo P. Ard (alias Jürgen Pomorin) die Erwartungen. Außerdem hat es allerlei interessante Figuren zu bieten, die zudem ansprechend besetzt worden sind. Harald Schrott zum Beispiel ist nicht nur dank seiner darstellerischen Qualitäten Dauergast im TV-Krimi, er gehört zudem zu den Schauspielern aus der "Sowohl als auch"-Kategorie: einerseits attraktiv und charmant, andererseits durchaus abgründig – und damit prädestiniert für Rollen als Verdächtiger. Trotzdem lässt nicht nur die Spannung nach dem Thriller-Auftakt merklich nach; auch die Handlung entspricht mit den diversen Verdächtigen dem üblichen "Im Dutzend billiger"-Muster. Überraschend wird die Geschichte erst wieder, als in einem Hotelzimmer ein weiteres Opfer der Killerin entdeckt wird. Die Auflösung ist bei Licht betrachtet zwar etwas weit hergeholt, aber innerhalb des Krimis durchaus plausibel.
Bemerkenswert ist "Scharfe Schnitte", die 82. Episode der Reihe, vor allem wegen der überdurchschnittlich sorgfältigen Bildgestaltung (Henning Jessel) und einer Musik (Patrick Schmitz), die fast eine Klasse besser ist als der Film. Ansonsten imponiert Kinkels sechste Regiearbeit für die Traditionsreihe vor allem durch die gute Arbeit mit den Schauspielern. Verblüffendste Szene ist ein Albtraum Garbers, in dem ihm Schönfeld mit einer riesigen Spritze auf die Pelle rückt. Die Killerin (Tatiana Nekrasov) wiederum braucht im Grunde gar keine Waffe, um ihrem Gewerbe nachgehen zu können: Der Blick, den sie einem auf sein Trinkgeld wartenden Zimmerkellner zuwirft, durchbohrt den armen Mann regelrecht. Zur Strafe hat er sich ihr Gesicht eingeprägt, weshalb die Polizei unmittelbar nach Veröffentlichung des Fahndungsfotos zur Stelle ist. Der entsprechende SEK-Einsatz bringt erneute Spannung und außerdem ein bisschen Bewegung vor der Kamera, aber in den meisten anderen Szenen ist die Dynamik fingiert: Der Film tut so, als gebe es regelmäßige Schauplatzwechsel, doch in Wirklichkeit bewegt sich das Ermittlerduo bloß zwischen A (das Revier), B (der Salon), C (die Schönheitsklinik) und D (Rohdes Wohnung); und natürlich sind die Szenen bei A, B, C und D hintereinander gedreht worden.
Für allenfalls überschaubare Heiterkeit sorgen die Auftritte von Team-Faktotum Sputnik; Jaecki Schwarz wirkt mehr und mehr wie das Maskottchen der Reihe. Früher war Garbers Freund wenigstens noch in die Fälle involviert. Seit Schwarz jedoch bloß noch in den Revierszenen mitwirkt, tun sich die Autoren sichtlich schwer, lustige Ideen für Sputniks ständig wechselnden Broterwerb zu finden. Meist muss Garber in irgendeiner Form unter den fragwürdigen Geschäftsideen des ehemaligen VoPo-Kollegen leiden, aber diesmal kommt er buchstäblich ungeschoren davon: Sputnik verpasst den Polizisten einen preiswerten "Pisspottschnitt". Bei Garber ist in der Hinsicht nicht viel zu holen, doch das Bild passt trotzdem: Die Sputnik-Einlagen wirken bloß noch wie ein Versuch, Locken auf einer Glatze zu drehen. Umso witziger sind dafür die Dialogduelle zwischen Garber und dem zunehmend irritierten Klöckner (Matthi Faust), der von seinem Kollegen ganz ungewohnt mit Nettigkeiten überhäuft wird.