In Ihrem Beruf als Pfarrer sind Sie für das Trostspenden zuständig, in der Rolle als Klimaaktivist sind Sie Warner vor der Katastrophe und greifen die Ängste der Menschen auf. Wie passt das zusammen?
Thomas Zeitler: Ich gehöre zu denen in der Kirche, die sagen, wir dürfen dieser Angst nicht ausweichen. Ich habe es immer sehr kritisiert, wenn wir zu schnell sagen, fürchtet euch nicht. Denn es ist zum Fürchten, dem müssen wir uns stellen. Die Angst schürt nicht die Klimabewegung, sondern Angst machen die Waldbrände in Kalifornien oder das Schmelzen des Permafrosts in Sibirien. Das sind die angstmachenden Dinge, die wir ausblenden. Wenn wir gut sind als Religionen, schaffen wir es, uns mit den Dingen zu konfrontieren ohne in Panik zu verfallen, sondern handlungsfähig zu bleiben. Darin liegt gerade unsere Aufgabe.
Die Umsetzung der Klimaziele ist immer noch verbunden mit den Fragen: Auf was muss ich verzichten, muss ich meinen Lebensstil verändern? Wie gehen Sie an dieses Problem heran?
Zeitler: Genau da zeigen sich unsere religiösen Instrumente. Wir haben ja die Unterscheidung, ob wir etwas aus Zwang, Pflicht oder auf Druck tun, oder ob wir eine Haltung finden, die auf Freiwilligkeit und Überzeugung und aus Nächstenliebe gegenüber dem Menschen und der Natur basiert. Wir müssen den Kulturwandel hinkriegen, der uns zeigt, anders zu leben, kann auch sehr schön und sehr gut sein.
Was meinen Sie mit Nächstenliebe gegenüber der Natur?
Zeitler: Mit einem Straßenbaum, der durch drei Jahre Dürre einzugehen droht, kann man auch mitleiden. Und das ist nicht fehlgeleitetes Mitleid, sondern es ist wirklich so, dass wir daran erleben, wie wir gerade das Netz des Lebens beschädigen. Das muss uns schmerzen und als Impuls dienen, uns zu verändern.
"Ich habe eher Signale von Dialog und Einbindung als von Abwehr und Ausgrenzung"
Lässt Sie denn Ihre evangelische Kirche in Ihren Aktivitäten manchmal am Rande von Ordnungswidrigkeiten weiter machen?
Zeitler: Nach einem anfänglichen Fremdeln mit 'Extinction Rebellion' und Themen wie dem zivilen Ungehorsam habe ich jetzt gerade Anfragen aus der Kirche. Der Strömungsbeauftragte der Landeskirche hat mich zu einer Tagung eingeladen. Der landeskirchliche Umweltbeauftragte hat mich vorgeschlagen, mit einem Kollegen zusammen Umweltbeauftragter für den Kirchekreis Nürnberg zu sein. Ich habe eher Signale von Dialog und Einbindung als von Abwehr und Ausgrenzung.
Wie hat die Corona-Pandemie die Klima-Bewegung behindert?
Zeitler: Corona hat auf jeden Fall die Klimabewegung ausgebremst, das merkt man ganz deutlich bei den "Fridays for future"-Demonstrationen, die aus dem Blick geraten sind. Es sind große Momente von Sichtbarkeit verlorengegangen. Ich glaube aber trotzdem, dass es intern eine Kontinuität gab. Alle wissen, dass uns das Problem erhalten bleibt, neben Corona. Wir haben nun wir eben zwei Probleme zu lösen.
Sie haben also auch nicht den Eindruck, dass die Corona-Pandemie das Interesse der Kirche an den Umwelt- und Klimafragen bremst?
Zeitler: Die Grundhaltung der Kirche ist klar. Auch der Landesbischof hat am vergangenen Freitag ja wieder deutlich zu den Demonstrationen der Klimabewegungen eingeladen. Wir sitzen jetzt an der Umsetzung des großen Klimaschutzkonzepts der Synode. Da gab es Verzögerungen in der Umsetzung, da muss man jetzt neue Formen finden, dass sich das nicht alles zu sehr verschleppt. Welche Umsetzungsschritte müssen wir gehen, diese Fragen stehen als nächstes an.
Was wäre denn, wenn Ihr ziviler Ungehorsam bei Aktionen von 'Extinction Rebellion' zu einem Strafbefehl oder einer Verhaftung führen sollte. Was würde denn da Ihre Kirche dazu sagen?
Zeitler: Das mache ich nicht im Dienst, sondern das ist eine private Entscheidung, mich mit allen Konsequenzen zu engagieren. Ich denke aber, ich komme nicht in die Versuchung, mich bei den etwas härteren Aktionen zu engagieren. Es steht uns in der Bewegung frei, in welchem Maße man sich engagiert. Es geht bei 'Extinction Rebellion' aber auch nicht um Gesetzesverstöße als Selbstzweck, sondern darum Formen zu finden, die die nötige Aufmerksamkeit herstellen.
"Das ist ein Experiment für eine neue Art von Ökumene"
Eine Aktion wird am Sonntag in Berlin eine interreligiöse Eröffnungszeremonie sein. Was kann man sich darunter vorstellen?
Zeitler: Muslimen, Juden, Hinduisten, Buddhisten und Christen gehen dazu gemeinsam auf die Straße, um die Rückstärkung aus den Religionen für die Klimabewegung zu zeigen. Das ist ein Experiment für eine neue Art von Ökumene.