Brüssel (epd). Die EU-Kommission hat Pläne für ein neues Asylsystem vorgestellt, das die Verantwortung für Schutzsuchende besser verteilen soll, aber keine verpflichtende Umverteilung auf alle Mitgliedstaaten vorsieht. Die Länder könnten stattdessen zum Beispiel bei Abschiebungen mithelfen, erklärte die Behörde am Mittwoch in Brüssel. Das neue System insgesamt soll nach den Worten von Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der EU, Migration zu managen, wiederherstellen.
Es handelt sich um ein gestuftes System, bei dem Asylbewerber an den EU-Außengrenzen registriert werden sollen. An der Grenze würde teilweise auch bereits über die Schutzberechtigung entschieden. Dies wäre etwa der Fall bei Menschen, die aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote bei Asylverfahren stammen und wahrscheinlich keinen Schutz erhalten. Daneben wäre weiter "ein normales Asylverfahren" möglich.
Während abgelehnte Asylbewerber von der Grenze direkt abgeschoben würden, könnte für die anderen Antragsteller eine Verteilung auf andere EU-Staaten folgen. Diese sollen freiwillig Menschen übernehmen können. Alternativ könnten sie etwa bei Abschiebungen helfen, die EU-Kommission nennt das "Abschiebe-Patenschaft". Für Zeiten größeren Migrationsdrucks oder Krisen sieht die Kommission dagegen vor, dass "jeder Mitgliedstaat in Solidarität Beiträge leisten muss".
Verpflichtende Umverteilungsquoten auch für Länder, die dies nicht wollen, werde es aber auch in Zeiten des Drucks oder bei Krisen nicht geben, stellte Innenkommissarin Ylva Johansson klar. Allerdings heißt das nicht unbedingt, dass ein Land gegen seinen Willen gar keine Asylverfahren übernehmen muss. Die Pläne sehen unter anderem vor, dass ein Land dadurch verantwortlich für Asylbewerber werden kann, dass dort Verwandte leben.
Die Kommission will mit den Plänen eine Lösung im seit Jahren geführten Streit um die Aufnahme von Schutzsuchenden vorbereiten. Sie ist durch die Feuer im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos noch dringlicher geworden. Die Vorschläge werden nun vom Europaparlament und dem Rat bearbeitet, die zusammen das letzte Wort haben. Im Rat kann die Bundesregierung als amtierende Präsidentschaft noch bis Jahresende die Pläne vorantreiben. Eine 2016 gestartete Reform der Asylpolitik scheiterte, weil sich die Regierungen nicht einigen konnten.
Die Kommission will mit dem neuen System das geltende Dublin-System abschaffen. Ihm zufolge ist in der Regel das Land der ersten Einreise für Asylbewerber zuständig, also meist die Mittelmeeranrainer. Dies hat, zusammen mit dem EU-Türkei-Pakt von 2016, zu überfüllten Lagern insbesondere auf den griechischen Inseln geführt. Fraglich ist, inwieweit der neue Ansatz dem Flüchtlingsschutz und den Menschenrechten gerecht wird. Verfahren an den Außengrenzen sehen viele Organisationen der Zivilgesellschaft sehr kritisch.
"Der Pakt läuft in der Praxis auf die Abschaffung eines fairen Asylverfahrens hinaus", erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Der Zugang zum Asylrecht an der EU-Grenze droht durch eine Vorprüfung, ob man überhaupt zugelassen wird zu einem Asylverfahren, versperrt werden." Auch die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst kritisierte die Vorschläge. Die meisten Menschen könnten gar nicht abgeschoben werden, "ganz einfach, weil die Zielländer nicht sicher sind". Dagegen nannte die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont die Vorschläge einen "Schritt in die richtige Richtung, um die Blockade zu lösen, die die europäische Migrationspolitik seit mittlerweile fünf Jahren lähmt". Es sei auch richtig, den Mitgliedstaaten unterschiedliche Möglichkeiten zu eröffnen, Solidarität zu leisten.