Berlin (epd). Nach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria in Griechenland wollen zehn europäische Staaten insgesamt 400 minderjährige Flüchtlinge von dort aufnehmen. Nach Deutschland könnten 100 bis 150 von ihnen kommen, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag in Berlin. Er bezeichnete die Verteilung als "ersten Schritt". In einer heftigen Debatte im Bundestag verteidigte Seehofer seine Ablehnung, eine deutlich größere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung (SPD), bezeichnete die angekündigte Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen in den zehn Ländern als unzureichend.
Seehofer trat gemeinsam mit dem per Video zugeschalteten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Margaritis Schinas, vor die Presse. Der Innenminister betonte, dass nach dem Brand in Moria für ihn das Wichtigste die Hilfe vor Ort sei. Schinas zufolge soll in Moria erneut ein Camp - die Rede war von einem "Zentrum" - entstehen, dessen Bau die EU unterstützen will. Nach Vorstellungen der Kommission soll die EU künftig auch eine Rolle beim Management des Lagers übernehmen. Seehofer begrüßte die Idee. Dies könne auch eine "Blaupause" für ähnliche Probleme in Italien, Malta oder Spanien sein, sagte er.
Das Lager in Moria ist laut Seehofer inzwischen vollständig zerstört. Tote oder Verletzte habe es nicht gegeben. Bis neue Unterkünfte gebaut sind, will Deutschland nun mit Material helfen, um das die griechische Regierung gebeten hat. Das Technische Hilfswerk (THW) hat nach Ministeriumsangaben in der Nacht zu Freitag 1.400 Feldbetten und Zelte für bis zu 1.000 Personen auf den Weg gebracht. Auch andere EU-Länder sollen demnach Material schicken, darunter Schlafsäcke, Matratzen oder Duschcontainer.
Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die Deutschland aufnehmen will, sollen bis Ende September in der Bundesrepublik ankommen. Nach Seehofers Worten wird Frankreich eine ähnliche Zahl von Minderjährigen aufnehmen. Zudem beteiligen sich Finnland, Luxemburg, Slowenien, die Niederlande, Kroatien, Portugal, Belgien und die Schweiz als Nicht-EU-Staat an der Verteilaktion.
In der Nacht zu Mittwoch hatte ein Feuer große Teile des mit mehr als 12.000 Menschen völlig überfüllten Lagers auf Lesbos verwüstet. Seitdem gibt es Forderungen an Seehofer, einer Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen aus Moria in Deutschland zuzustimmen. CDU-Bundestagsabgeordnete forderten in einem Brief die Aufnahme von 5.000 Menschen, notfalls durch die Bundesrepublik allein.
Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann sagte im Bundestag, man könne nicht auf politische Lösungen warten, sondern müsse "aus christlicher Verantwortung jetzt handeln". Appelle, mehr Menschen aufzunehmen kamen auch aus den Reihen der SPD und von den Grünen. Die Linksfraktion forderte in einem Antrag, alle Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen.
Städtetags-Präsident Burkhard Jung (SPD) sagte der "Rheinischen Post" (Samstag), es helfe, in einer "Koalition der Willigen auf europäischer Ebene voranzugehen", reiche aber nicht aus. Es müsse endlich einen fairen Verteilmechanismus für Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union geben, verlangte der Leipziger Oberbürgermeister. Es sei "ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt hat".
Zuvor hatten die Oberbürgermeister von zehn deutschen Städten ihre Bereitschaft erklärt, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände forderten in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Menschen rasch in Sicherheit zu bringen.
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