Frankfurt a.M. (epd). Bundesweit gehen Ermittlerinnen und Ermittler mindestens 6.900 mutmaßlichen Betrugsfällen im Zusammenhang mit Corona-Hilfen nach. Dies geht aus einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Justizministerien und Generalstaatsanwaltschaften der Länder hervor. Allein in Nordrhein-Westfalen beläuft sich im Zeitraum April bis Juli die Summe der Verfahren zum Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona auf 3.800, die Zahl der Beschuldigten auf insgesamt 4.287.
Eine Straftat liegt unter anderem vor, wenn eine Person im Namen eines tatsächlich existierenden Unternehmens oder eines Selbstständigen ohne dessen Wissen eine Corona-Soforthilfe beantragt und die Zahlung dann zum Beispiel durch eine abweichende Kontonummer umlenkt. Täterinnen und Täter könnten bei der Antragsstellung auch falsche Angaben machen, die gezahlten Hilfen für private Zwecke verwenden oder Hilfen doppelt für dasselbe Unternehmen beantragen.
In Mecklenburg-Vorpommern haben die Staatsanwaltschaften bis Mitte August rund 220 Verfahren wegen Betruges und Subventionsbetruges eingeleitet. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, den hessischen Staatsanwaltschaften und Polizeipräsidien sind derzeit rund 600 Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlichen Betrugs mit staatlich finanzierten Corona-Soforthilfezahlungen anhängig. In Baden-Württemberg waren bei der letzten statistischen Auswertung (Stichtag: 10. August 2020) wegen unberechtigterweise beantragter Corona-Soforthilfen 297 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
In Schleswig-Holstein sind 241 Verfahren bei den Staatsanwaltschaften anhängig. Die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen haben bis Anfang August mehr als 720 Ermittlungsverfahren geführt, um Betrügereien mit den Corona-Hilfen des Landes aufzudecken. In Bayern laufen 537 Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren. Die sächsischen Behörden ermitteln in 472 Fällen wegen Betrugs, Subventionsbetrugs und Geldwäsche. In Bremen sind circa 80 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges im Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen in Bearbeitung. In Hamburg und Sachsen-Anhalt werden die Straftaten nicht separat erfasst. Aus Berlin, Thüringen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland lagen keine Angaben vor.
Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Justizministeriums betragen die Schadenssummen pro Fall zwischen 2.500 und 15.000 Euro. In Bayern lag die ausgezahlte Schadenssumme Ende Mai bei 1,7 Millionen Euro. Bei noch nicht ausbezahlten Anträgen im Gesamtwert von 2,2 Millionen Euro bestehe der Verdacht auf falsche Angaben. In Sachsen beläuft sich die Schadenssumme nach Schätzungen mindestens auf 5,1 Millionen Euro. Die niedersächsischen Behörden geben die vorläufige Schadenssumme mit 6,5 Millionen Euro an.
Die Zahl der vermeintlichen Betrugsfälle muss allerdings in Relation zu den Anträgen insgesamt gesehen werden. So wurden in Hessen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft bislang mehr als 135.000 Anträge gestellt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gab die Zahl der gestellten Anträge Mitte Juni mit rund zwei Millionen an.
Im Wesentlichen wird wegen des Vorwurfs des Subventionsbetruges nach Paragraf 264 des Strafgesetzbuches ermittelt. Auf Subventionsbetrug stehen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen sind bis zu zehn Jahre Haft möglich. Dabei ist nicht vorausgesetzt, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist: Strafbar ist der versuchte Betrug auch dann, wenn das Geld gar nicht geflossen ist.
Unternehmen und Organisationen aller Branchen können aufgrund wirtschaftlicher Einbußen als Folge der Corona-Auflagen einen Antrag auf Überbrückungshilfe stellen, soweit ihr Umsatz 50 Millionen Euro nicht übersteigt. Auch Solo-Selbstständige und Freiberufler können einen Antrag stellen. Das jeweilige Unternehmen darf nicht vor März in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein.
epd jsb/lde jup