Das klingt nach Stoff für einen Mittwochsfilm, doch Benedikt Röskau hat daraus eine ausgesprochen sympathische Komödie gemacht, die gleich in mehrfacher Hinsicht überzeugende Kompromisse findet: Der Film ist witzig, aber nie auf Kosten seiner Hauptfiguren, denn blöd sind hier die anderen; er spielt mit Stereotypen, ohne in Klischees zu verfallen; und er ist mit ganzem Herzen beim Titelduo, ohne das eigentliche Problem zu bagatellisieren.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Röskau hat in den letzten gut zwanzig Jahren unter anderem die Drehbücher zu "Das Wunder von Lengede", "Romy", "Die Auserwählten" und allen voran zu dem mehrfach ausgezeichneten Zweiteiler "Contergan" geschrieben. Komisch waren seine Stoffe selten. Es ist daher umso bemerkenswerter, dass er für sein Regiedebüt das schwierige Komödienfach gewählt hat. Das Ergebnis kann sich jedoch mehr als bloß sehen lassen: weil er dem Film eine sehr angenehme Tonalität gegeben hat. Das eigentliche Thema ist zudem äußerst geschickt als eine jener Heimatgeschichten verpackt, wie sie die Degeto immer wieder freitags gern erzählt, selbst wenn der Film darauf verzichtet, ständig in Bergpanoramen zu schwelgen: Weil ein oberbayrisches Dorf am Fuß des Karwendelgebirges langsam vor die Hunde geht und dringend ein Wunder braucht, will der Bürgermeister rund um eine Heilquelle einen Kurpark einrichten.
Innerhalb dieses geläufigen Rahmens hat Röskau eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte angesiedelt. Besitzer des Landes mit der Quelle ist ein geistig schlichter, aber grundanständiger Almbauer (Tom Beck), der mit seiner Handvoll Milchkühe ein beschauliches und zufriedenes Dasein führt; könnte er die Idylle mit einer Frau teilen, wäre sein Glück perfekt. Eines Tages sind seine allabendlichen Gebete offenbar erhört worden: Beate (Anna Drexler) aus Köln macht mit ihren Eltern Hanna und Christian Spengler (Annette Frier, Martin Brambach) Urlaub in der Gegend. Als ein Unwetter aufkommt, sucht sie Zuflucht in Leonhards Stall. Beate wirkt äußerlich ganz normal, bewegt sich geistig aber auf dem Niveau eines zwölfjährigen Kindes.
Bis zu diesem Punkt könnte "Ein Almhütte für Zwei" (Arbeitstitel: "Leonhards Traum") eine unbeschwerte Romanze sein, aber dann wird Beate schwanger und die Sache kompliziert. Hanna, endlich wieder ein eigenes Leben führen möchte, fürchtet, dass sie sich um das Baby kümmern muss. Beate spricht aus, was letztlich die Relevanz des Films ausmacht: "Ich darf kein Kind haben, weil ich behindert bin." Leonhard wiederum droht Opfer eines Komplotts zu werden, damit der schurkische Bürgermeister (Felix Hellmann) seine Pläne mit der Heilquelle ungestört umsetzen kann. Damit die Spenglers gar nicht erst mitbekommen, welchen Schatz der Vater ihres ungeborenen Enkelkinds besitzt, redet Leonhards Cousin (Gabriel Raab) ihm das Kind aus: Leonhard wolle doch bestimmt nicht, dass sein Nachwuchs wie er selbst als Dorfdepp aufwachse.
Natürlich kommt schließlich alles anders, und selbstredend weiß der erfahrene Röskau, wie sich die Geschichte allen Widrigkeiten zum Trotz plausibel zu einem guten Ende führen lässt. Aber seine Meriten als Autor stehen ohnehin außer Frage, und deshalb ist die Qualität der Inszenierung die eigentliche Überraschung des Films. An der Bildgestaltung wird auch Kameramann Thorsten Harms seinen Anteil gehabt haben, doch die Führung der Schauspieler ist Sache des Regisseurs, und auch in dieser Hinsicht hat Röskau genau das richtige Maß gefunden: Tom Beck und Anna Drexler verzichten auf jede Zurschaustellung der Beschränktheit. Gerade Drexler macht das in ihrer ersten TV-Hauptrolle ganz vorzüglich. Beck, der ein für einen Mittelfranken sehr glaubwürdiges Bairisch spricht, verkörpert den Bauern als freundlichen Hinterwäldler. Dass der Mann mit seinen Kühen redet, ist für einen Landwirt im Allgemeinen und einen Einzelgänger im Besonderen ebenso ungewöhnlich wie die einseitigen Zwiegespräche mit einer Marienstatue, die je nach Situation den Gesichtsausdruck wechselt. Ansonsten offenbaren die beiden Figuren jene herzerfrischende Kindlichkeit, die den meisten Erwachsenen – oft zum eigenen Bedauern – irgendwann abhanden gekommen ist.
Das Drehbuch basiert auf einer Idee von Sylvia Leuker. Röskaus Lebensgefährtin und vielfache Koautorin ist im vergangenen Jahr gestorben; er hat ihr "Eine Almhütte für Zwei" gewidmet. Entsprechend wehmütig wird ihm während der Dreharbeiten zumute gewesen sein, aber davon ist nichts zu spüren. Der Film ist zwar trotz der Slapstick-Einlagen von Martin Brambach und einiger verblüffender Einfälle eine eher stille Komödie, vermittelt aber nicht zuletzt dank der eingängigen und immer stimmigen Musik (David Reichelt) viel Lebensfreude.