Berlin, Caracas (epd). Die Opposition in Venezuela ist offenbar uneins über einen vereinbarten Boykott der Parlamentswahlen im Dezember. Der zweimalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles und der prominente Oppositionsabgeordnete Stalin González hätten unter Vermittlung der Türkei einen Dialog mit Staatschef Nicolás Maduro aufgenommen, um eine Teilnahme der Opposition an den Wahlen zu ermöglichen, berichtet die Tageszeitung "El Nacional" am Mittwochabend (Ortszeit). Ein breites Bündnis von 27 Oppositionsparteien hatte gemeinsam erklärt, die Parlamentswahlen am 6. Dezember zu boykottieren, weil die Regierung freie Wahlen verhindere. Auch die Parteien von Capriles und Gonzáles gehörten zu den Unterzeichnern.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bestätigte indirekt die Verhandlungen. "Für uns sind Stabilität und Frieden in Venezuela wichtig", erklärte er. "Deswegen sind wir froh zu sehen, dass sich Opposition und Regierung einer Vereinbarung annähern." Die Türkei ist eines der wichtigsten Handelspartner von Maduros Regime, das international mit zahlreichen Sanktionen belegt ist.
Nach der Erklärung der Türkei betonte Oppositionsführer und Parlamentspräsident Juan Guaidó, dass er keine Kenntnis von irgendwelchen Verhandlungen mit Maduro habe. Solche Gespräche seien weder von der Interimsregierung noch von der Nationalversammlung autorisiert. Guaidó versicherte, dass die Vereinbarung zum Boykott der Parlamentswahlen durch die Opposition weiterhin Bestand habe.
Capriles und Gonzalés bestätigten in den sozialen Medien den Kontakt mit Vertretern des Regimes von Maduro, wiesen aber Verhandlungen zurück. "Es ist richtig, mit allen zu sprechen, die uns einer glaubwürdigen Lösung näher bringen", schrieb Capriles auf Twitter. Auch González betonte, den Venezolanern müsse das Recht zurückgegeben werden, über ihre Zukunft zu entscheiden.
Die Opposition sieht nach eigenen Angaben unter Maduro keine Chance, dass die Wahlen frei und fair durchgeführt werden. So will die Regierung unter anderem die Wahlkreise neu zusammensetzen und so die Zahl der Parlamentarier um 110 auf insgesamt 277 erhöhen. Die Opposition spricht von Manipulation zugunsten von Maduro. Auch die Wahlkommission CNE ist mit Maduro-treuen Vertretern besetzt. In der Nationalversammlung hat die Opposition seit der letzten Wahl 2015 eine deutliche Mehrheit. 2017 wurde sie allerdings von Maduro durch die Bildung einer sogenannten Verfassunggebenden Versammlung entmachtet, die mit regierungstreuen Vertretern besetzt ist.
Venezuela befindet sich in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise. Parlamentspräsident Guaidó hatte sich vor rund eineinhalb Jahren Jahr zum Übergangsstaatschef ausgerufen und wird inzwischen von mehr als 50 Staaten anerkannt. Das venezolanische Militär steht jedoch mehrheitlich loyal zu Maduro und ist sein größter Machtfaktor.