Als sie sich den Arm bricht – sie ist über ein Buch von Ephraim Kishon gestolpert –, lernt sie den Arzt Tobias Feinstein (Lasse Myhr) kennen, identifiziert ihn anhand seines Davidstern-Anhängers umgehend als Juden und ist gern bereit, sich mit ihm treffen. Tobias hat jedoch ein Auge auf ihre Freundin Laura (Lisa Wagner) geworfen, überredet seinen Freund und Kollegen Daniel (Maxim Mehmet) mitzukommen und nutzt die erstbeste Gelegenheit, um sich mit Laura abzusetzen. Anne kann zunächst nicht viel mit dem Gynäkologen anfangen. Das ändert sich jedoch schlagartig, als der Eindruck entsteht, Daniel sei ebenfalls Jude. Prompt ist sie beeindruckt von seinem vermeintlich typisch jüdischen Humor. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden verlieben sich ineinander. Fortan schwebt die Frage, wie Daniel aus der Nummer wieder rauskommt, ohne Anne zu verlieren, wie ein Damokles-Schwert über dem fragilen Glück.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Schönes Schlamassel" ist ein Film von Wolfgang Murnberger. Der Österreicher ist bekannt für bissige Komödien wie "Die Spätzünder" oder "Kästner und der kleine Dienstag", die meist einen ernsten Hintergrund haben. Das gilt in diesem Fall natürlich nicht minder, denn selbstredend kann man 2020 keine Geschichte über deutsche Juden erzählen, ohne den Rechtsruck der Gesellschaft, die Holocaust-Leugnung und den zunehmenden Antisemitismus zu thematisieren. Der Regisseur hat das Drehbuch gemeinsam mit Peter Probst geschrieben; die beiden haben sich bereits bei "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit" (2015) als gutes Team erwiesen. Die große Stärke ihrer Geschichte liegt neben dem Handlungskern mit der Verwechslung, die Daniel nicht aufgeklärt, sowie den spritzigen Dialogen im Entwurf der weiblichen Hauptfigur: Anne ist Spross einer angesehenen Münchener Familie, die seit fast 200 Jahren einen offenbar lukrativen Handel mit Antiquitäten betreibt. Aus Sicht der Tochter klebt jedoch Blut am Vermögen: Ihr Großvater hat von Juden, die Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus verlassen mussten, Kunstschätze erworben, die er später für ein Vielfaches wieder verkauft hat. Anne hat sich vorgenommen, das familiäre Karma zu verbessern, und betreibt nun eine besondere Form der Wiedergutmachung, indem sie alles verklärt, was jüdisch ist.
Murnberger vermeidet es allerdings geschickt, die Buchhändlerin zur Karikatur werden zu lassen, zumal die Kamera (Peter von Haller) ohnehin geradezu verliebt in sie zu sein scheint. Die Figur trägt zwar satirische Züge, ist aber dank der herzlichen Ausstrahlung von Verena Altenberger äußerst liebenswert, weshalb sich gut nachvollziehen lässt, dass Daniel alsbald hin und weg ist. Anfangs ist der Frauenarzt ein Häufchen Elend, das der Ex-Frau nachtrauert, doch dann entwickelt er einen Charme und einen Humor, die ihn vermutlich selbst überraschen. Vom Judentum hat er zwar keine Ahnung, aber Tobias versorgt ihn mit den Wissensbissen, die nötig sind, um sich etwa bei Gesprächen über den Palästinenserkonflikt keine Blöße zu geben. Selbstverständlich bleiben immer noch genug Fettnäpfchen übrig, die bloß darauf lauern, sich Daniel in den Weg zu stellen. Er versucht zwar mehrfach, den Irrtum aufzuklären, aber es kommt dauernd was dazwischen; am Ende gar eine Schwangerschaft.
Clever ist auch die Idee, Daniels Scharade auf einer zweiten Ebene zu spiegeln: Anne arbeitet ehrenamtlich in einem jüdischen Seniorenheim. Schriftsteller Schlomo Wiesniewski (Dieter Hallervorden) hat es ihr besonders angetan. Der alte Mann hat als Kind ein Konzentrationslager überlebt und seine Erinnerungen aufgeschrieben ("Die Scherben meines Lebens"). Tobias findet jedoch heraus, dass es sich zumindest bei einem Kapitel des Buches um die Erinnerungen von jemand anderem handelt, weshalb er eine Frage stellt, die Anne in Bezug auf Daniel nie in den Sinn käme: Ist Wiesniewski womöglich nicht mal Jude?
Der Film berührt also durchaus ernste Aspekte, bleibt aber auch dank der munteren Musik (Roman Kariolou) stets Komödie. Dafür sorgen schon allein giftige Nebenfiguren wie die uralte Frau Goldberg (Erni Mangold), die wegen ihrer zynischen Sprüche von den anderen bloß Eisberg genannt wird. Außerdem finden Murnberger und Probst nebenbei noch Zeit, um die Romanze zwischen Tobias und Laura zu erzählen: Die Masseurin hat ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Chef (Thomas Limpinsel), weshalb sie perfekt ins Beuteschema des eingeschworenen Singles passt; bis er verblüfft feststellt, dass er eifersüchtig ist, als der Mann zu Laura zieht. Darüber hinaus sorgen kleine Einfälle am Rande immer wieder für Heiterkeit, als sich zum Beispiel Daniels Mäh-Roboter aus Solidarität mit dem Weltschmerz seines Besitzers in den Pool stürzt oder Anne vorm Spontansex in ihrer Buchhandlung noch rasch das Türschild umdreht: "Komme gleich."