Berlin (epd). Eine Unfallserie auf der Berliner Stadtautobahn am Dienstagabend hat möglicherweise einen islamistischen Hintergrund. Polizei und Staatsanwaltschaft schlossen am Mittwoch ein islamistisch motiviertes Tatgeschehen nicht aus. Zugleich verwiesen sie auf den psychisch labilen Zustand des mutmaßlichen Täters. Ein 30 Jahre alter Mann aus dem Irak hatte am Dienstagabend auf der Schnellstraße offenbar gezielt Motorradfahrer gerammt und angefahren und war auch mit anderen Autos kollidiert. Sechs Menschen wurden verletzt, drei davon schwer.
"Die Abläufe lassen sich mit einem zufälligen Unfallgeschehen nicht in Einklang bringen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Vielmehr handele es sich offenbar um gezielte Angriffe vor allem auf Motorradfahrer. Die Attacke ereignete sich zwischen Wilmersdorf und der Anschlussstelle Alboinstraße in Tempelhof.
Der mutmaßliche Täter sollte noch am Mittwoch einem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft geht von mindestens drei Fällen von versuchtem Mord aus. Wahrscheinlich seien es noch mehr Fälle, sagte Oberstaatsanwalt Martin Steltner. An einem Gesamtüberblick über das Tatgeschehen wurde am Mittwoch noch gearbeitet.
Der mutmaßliche Angreifer kam nach einer weiteren Kollision schließlich gegen 19 Uhr am Dienstagabend mit seinem Fahrzeug auf der Autobahn zum Stehen. Den Angaben zufolge verließ er seinen Opel und stellte eine alte Munitionskiste auf dem Autodach ab. Es sei der Eindruck entstanden, dass es sich dabei um einen gefährlichen Gegenstand handeln könnte. Auch von "Allahu Akbar!"-Rufen war die Rede. Polizisten gelang schließlich die Festnahme des 30-Jährigen. Bei der Untersuchung der Kiste durch Spezialisten vom Landeskriminalamt stellte sich der Inhalt als ungefährlich heraus.
Inzwischen ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt. Äußerungen des Beschuldigten bei anschließenden Befragungen legten eine religiös-islamistische Motivation nahe, erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft. Anhaltspunkte für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fanden sich den Angaben zufolge allerdings zunächst nicht, ebenso wenig wie auf die Mitwirkung weiterer Personen. Der mutmaßliche Täter ist irakischer Staatsangehöriger und in Bagdad geboren.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) zeigte sich bestürzt über den Anschlag. Unbeteiligte seien "aus dem Nichts heraus Opfer einer Straftat geworden". Den drei Schwerverletzten wünschte Geisel rasche Genesung. Einer von ihnen sei Angehöriger der Berliner Feuerwehr und war laut Geisel auf dem Heimweg. Die Ereignisse zeigten schmerzhaft, "wie verletzlich unsere freie Gesellschaft ist", sagte Geisel. Berlin stehe weiterhin im Fokus des islamistischen Terrorismus.
Auch die Berliner Bischöfe reagierten bestürzt: "Unsere Gedanken und Gebete gelten den Opfern der offenbar bewusst herbeigeführten Unfälle und ihren Angehörigen", erklärten Bischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Erzbischof Heiner Koch vom Erzbistum Berlin. Zugleich wandten sie sich "gegen jegliche Versuche, die Religion für die Begründung von Terror und Gewalt zu missbrauchen".