Er entschied über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Von seinem Urteil hing ab, ob eine Geschäftsidee Erfolg hatte oder ein Unternehmen eine zweite Chance bekam oder nicht: Über 20 Jahre lang leitete der promovierte Volkswirtschaftler Hartmann Beck das Firmenkundengeschäft bei einem Passauer Geldinstitut - und verantwortete Millionensummen. Drei Jahre nach seiner Pensionierung wird er diesen Sonntag (9. August) als Prädikant vom Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler ins geistliche Amt berufen. Beck darf dann das Wort verkündigen und auch die Abendmahlsfeier leiten.
Spätestens seit der Finanzkrise 2008, in der sich die Geldgier des Finanzkapitals offenbarte, haftet dem Beruf des Bankers ein schlechtes Image an. In der Bibel liest man von der Unvereinbarkeit zwischen Gott und dem Geld, wenn es heißt: "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." (Mt. 6,24) Hartmann Beck weiß darum, sieht aber keinen Widerspruch zu seiner früheren beruflichen Tätigkeit. "Ich empfinde es eher wie heimkommen." Schon als Jugendlicher habe er den Wunsch gehabt, Pfarrer zu werden, schließlich dann aus eher praktischen Erwägungen Volkswirtschaft studiert. Eine Trennung zwischen Bankberuf und Glauben habe es für ihn nie gegeben, sagt der 68-Jährige. "Ich gebe doch meinen Glauben nicht an der Garderobe ab."
Innere Kämpfe dagegen habe er aber schon erlebt. "Da gibt es Bereiche, wo man sich fragt: Finanziere ich das oder nicht." Es sei immer Abwägungssache gewesen. Auf der einen Seite gebe es genügend Gesetze, die erklärten, was erlaubt sei und was nicht. Auf der anderen Seite habe es schon Investitionsanfragen gegeben, "die wir rein gesetzlich und auch von der Bonität des Kunden her hätten machen können, wo wir aber gesagt haben, da lassen wir die Finger davon". So würde sich sein Institut zum Beispiel nie an "Atomkraftinvestitionen in der Nachbarschaft" beteiligen, betont er.
Nach rein ethischen Gesichtspunkten beim Banking vorzugehen, wie manche "Idealisten" sich das wünschten, hält Beck für unrealistisch. Denn in der Wirklichkeit habe man immer mit Kompromissen zu tun. Gut und gerne habe er sich an den "alten Buddenbrook" im Roman von Thomas Mann gehalten, der sagte: "Macht gute Geschäfte, aber macht des Tags nur gute Geschäfte, die dich des Nachts ruhig schlafen lassen." Mit diesem "Ethos des ehrlichen und soliden Kaufmanns" sei Beck immer gut gefahren. "Das sagt auch eine ganze Menge über ethisches Banking aus."
Kirche als Heimatgefühl
Besondere Auswüchse des Kapitalismus erkenne er derzeit auf dem Mietmarkt. "Ich halte das für sehr von Eigennutz und teilweise auch von Nicht-genug-Bekommen gedrängt. Es wird aber kein einziger Vermieter gezwungen, eine hohe Miete zu verlangen." Jeder Vermieter könne wesentlich niedrigere Mieten verlangen, tue es aber nicht. "Das liegt aber nicht am System, sondern weil der Mensch halt leider so gestrickt ist." Man müsse heutzutage nicht alles machen, "was man gerade noch machen kann und was am Markt geht". Das liegt ihm zufolge weniger am System des Kapitalismus als am einzelnen Menschen.
Den Kontakt zur Kirche habe er bis auf wenige Jahre nie verloren: Nach der Konfirmation war er zwei Jahre Gottesdiensthelfer. Während des Studiums sei er regelmäßig in den Gottesdienst gegangen. "Das ist keine Hobbygeschichte", sagt Beck, der während seiner beruflichen Laufbahn viel herumgekommen ist. "Wenn ich ein Heimatgefühl habe, dann ist es das zur Kirche." Aus dem Gotteswort und "aus einer intelligenten und zeitbezogenen Auslegung" habe er immer viel für sein Leben empfangen, "an Ausblick und an moralischer Richtschnur".
Liturgische Präsenz wird geübt
Wenn er jetzt als Prädikant einen Gottesdienst mit eigener Predigt gestaltet, orientiert sich Beck erst einmal am Bibeltext, sagt ert. "Den lese ich, und da stellen sich schon eine Menge Gedanken ein." Zusatzhilfen böten auch die Materialsammlungen des Gottesdienst-Instituts oder die Angebote im Internet. "Da kann man sehr gut Predigten nachlesen und auf immer weitere Ideen kommen."
Bei der Prädikanten-Ausbildung steht neben den theologischen Grundlagen und dem geistlichen Durchdenken von Texten die praktische Übung ganz oben. Liturgische Präsenz werde immer wieder geübt, damit sich die Teilnehmenden eine angemessene Haltung und Sprache aneignen. Zum Abschluss müsse man einen Gottesdienst halten, den der Dekan abnimmt. Im Anschluss daran gebe es ein Feedback-Gespräch, aus dem ein schriftliches Urteil an den Regionalbischof ergeht.
Der pensionierte Banker Beck hatte auch ein Gespräch mit dem Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler. Fragen gab es dabei wenig, sagt Beck. "Es war ein sehr anregender Gedankenaustausch über meine Beweggründe und Fundierung im Glauben."