Marcus Vetter und Ko-Regisseurin Karin Steinberger haben Sörings Geschichte bereits in dem Dokumentarfilm "Das Versprechen" erzählt: Der Sohn eines Konsularbeamten hat die Tat damals gestanden, allerdings nur, wie er später aussagte, um Elizabeth vor der Todesstrafe zu schützen wollen. Er war überzeugt, er genieße wie sein Vater diplomatische Immunität, werde nach Deutschland überstellt und dort nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Der Plan ist gründlich misslungen: Söring wurde zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt, seine Freundin wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren.
Nun erzählen Vetter und Steinberger die Geschichte ein zweites Mal. Auf den ersten Blick wirkt die vierteilige Dokumentation "Killing For Love" wie die "Extended Version" des Films, der 2016 im Kino und 2018 im "Ersten" lief. Tatsächlich tauchen die Mitwirkenden von damals alle wieder auf: Die einstigen Ermittler wundern sich, dass einige ihrer Ergebnisse nie vor Gericht verwendet worden sind; und es ist immer noch seltsam, dass das Täterprofil eines FBI-Mitarbeiters, das Söring entlastet hätte, während des Prozesses nie zur Sprache gekommen ist, weil es angeblich gar nicht existiert. Weitere Zeitzeugen sind der Richter sowie ein Privatdetektiv, der den Fall nach über zwei Jahrzehnten wieder aufgerollt hat und auf diverse Ungereimtheiten und Widersprüche gestoßen ist. Selbst der Song "I put a spell on you" ("Ich hab’ dich verhext", in der Version der kanadischen Band Witness) erklingt erneut: weil Söring seiner Ansicht nach Opfer eines raffinierten Komplotts geworden ist, das seine frühere Freundin eingefädelt hat. Was also hat die insgesamt dreistündige Reihe zu bieten, was nicht schon der gut zwei Stunden lange Dokumentarfilm erzählt hat?
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zunächst natürlich den vorläufigen Schluss des Dramas: Söring ist wieder frei, endlich; diese Haltung legt der Film jedenfalls nahe. Vetter und Steinberger sagen zwar nicht explizit "Er ist unschuldig", zumal die vier Teile ohnehin ohne Kommentar auskommen, aber sie suggerieren diese Sichtweise zumindest; selbst wenn der Titel ("Töten für die Liebe") etwas Anderes nahelegt. Zum einen war es dem vielfach ausgezeichneten Filmemacher (drei Grimme-Preise) vermutlich ein Bedürfnis, das ganze Bild zu zeigen. Zum zweiten gab es eine Menge Material, dass er und Steinberer noch nicht verwendet hatten. Immerhin hat das Interview, das er 2013 mit Söring im Gefängnis führen durfte, vier Stunden gedauert, und natürlich liegt ein besonderer Reiz der neuen Reihe in der virtuellen Konfrontation der beiden Kontrahenten: hier Haysoms Aussagen vor Gericht, dort Sörings Sichtweise. Laut seiner Aussage habe sich die Freundin das clevere Alibi, das er sich ausgedacht hat, zunutze gemacht, um ihm die Tat in die Schuhe zu schieben. Aber auch diese Montage aus Gegenwart und Vergangenheit gab es schon im Film.
Der eigentliche Unterschied zwischen den beiden Werken ist Material, das Vetter und Steinberger bei einem US-Sender gefunden haben. Die Prozesse gegen Haysom und Söring waren Ende Achtzigerjahre die ersten, die landesweit im amerikanischen Fernsehen übertragen wurden. Tatsächlich liegt in den langen dokumentierten Passagen, die den Charme einer abgenutzten VHS-Kassette haben, eine ganz eigene Faszination. Vetter formuliert es im Pressematerial des ZDF so: "Als Zuschauer erleben wir zwei völlig unterschiedliche Versionen des Tages, an dem der Mord geschah. In der einen geht er ins Kino, um jeweils zwei Kinokarten als Alibi zu kaufen, während sie den Mord an ihren Eltern begeht. In der anderen kauft sie die beiden Kinotickets und er ermordet die Eltern. Ein unglaublich spannender Moment." Für das Verlesen von Sörings Briefen an seine Geliebte konnte das Regieduo immerhin Daniel Brühl gewinnen. Die Briefe von Elizabeth werden in der englischen Fassung von Imogen Poots vorgelesen, sie wird von Jutta Habicht synchronisiert. ZDFinfo zeigt alle vier Teile am Stück.