In diesem Fall betrifft das den in den ersten Filmen der Reihe von Matthias Matschke als reizvollen Gegensatz zur Titelheldin verkörperten LKA-Kollegen Gregor Georgi. Deshalb muss Helen Dorn, Hauptkommissarin des LKA Düsseldorf, in "Gefahr in Verzug" (eine Wiederholung von 2016) ohne den Kollegen auskommen, der zwar nicht immer ihrer Meinung ist, sich aber immerhin loyal verhält. Dabei könnte sie jede Hilfe brauchen, denn nach einem Bombenanschlag in der Duisburger Innenstadt, bei dem mehrere Passanten gestorben sind, ist sie die einzige, die Zweifel an der naheliegenden Lösung hat: Die Polizei hat ein Bekennervideo eines deutschen Salafisten erhalten; der junge Mann wird bei der Festnahme erschossen. Dass Dorn eine etwas andere Sichtweise der Ereignisse hat, hängt mit ihrer persönlichen Betroffenheit zusammen: Sie war in unmittelbarer Nähe, als die Bombe hochging, ist aber mit einem Knalltrauma davongekommen. Dass sie sich überhaupt dort aufhielt, hat Drehbuchautor Mathias Schnelting allerdings etwas kompliziert eingefädelt: Die Kommissarin hat die Nacht mit einer Zufallsbekanntschaft namens Adrian (Marcus Mittermeier) im Hotel verbracht und am nächsten Morgen ihre Brieftasche vergessen. Der Mann bestellt sie zu einem Café in der Nähe des Hotels, und auf dem Weg dorthin läuft sie direkt in die Explosion hinein. Prompt glaubt sie natürlich, er habe was mit dem Attentat zu tun.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Aufklärung des Anschlags ist aber nur eine Seite dieses jederzeit fesselnden Films, in dem die von Anna Loos gewohnt wortkarg und verschlossene Helen Dorn schließlich gegen die eigenen Leute ermittelt. Die Geschichte beginnt mit einem Doppelmord, der einem Dealer in die Schuhe geschoben wird: Khalid (Murathan Muslu) sitzt im Gefängnis, weil er angeblich im Drogenrausch aus Eifersucht seine Frau und seinen besten Freund erschossen hat. Er ist ein vorbildlicher Häftling, aber fünf Jahre nach der Tat flieht er plötzlich aus der Haft. Dass er unschuldig ist, steht von Anfang an außer Frage, denn als Mörder ist trotz Vermummung zweifelsfrei Armin Rohde zu erkennen, der in dieser Geschichte einen besonders bösen Polizisten verkörpert.
Regisseur Alexander Dierbach hat neben dem Nachkriegs-Dreiteiler "Tannbach" auch einige interessante Krimis inszeniert, darunter den Spürhundfilm "Mantrailer" sowie "Großer schwarzer Vogel", den letzten Berliner "Tatort" mit Dominic Raacke. Mit der RTL-Serie "Countdown – Die Jagd beginnt" hat Dierbach bewiesen, dass er auch Action kann, aber sein Helen-Dorn-Beitrag ist trotz einiger spannender Nervenkitzelmomente vor allem ein Schauspielerfilm. Gerade die von ruppiger Zuneigung geprägten Szenen mit der Kommissarin und ihrem Vater (Ernst Stötzner) sind aufgrund des sparsamen Spiels sehr effizient. Eine interessante Besetzung ist auch Adnan Maral als Kollege vom Staatsschutz, in dessen Weltbild verbrecherische Polizisten keinen Platz haben. Maral ist nicht erst seit "Türkisch für Anfänger" auf komödiantische Rollen festgelegt und darf hier erfolgreich gegen sein Image arbeiten. Obwohl Dierbach den Film insgesamt beinahe ruhig inszeniert, sorgen die winzigen Erinnerungsfetzen, die die Heldin immer wieder an das traumatische Erlebnis erinnern, für viel Dynamik. Kein Wunder, dass Helen Dorn in diesem ungewöhnlich facettenreichen Film noch eigenbrötlerischer als sonst wirkt.