Berlin (epd). Der Zustand der Wälder in Deutschland ist nach Ansicht von Wissenschaftlern dramatisch. Das hänge mit einer Kombination aus Stürmen, Trockenheit und der Massenvermehrung von Laub- und Nadelfressern zusammen, die es so noch nicht gegeben habe, sagte Waldschutzexperte Michael Müller am Donnerstag in Berlin. Der Professor an der Technischen Universität Dresden betonte, dass zudem die Verjüngung der Wälder dadurch beeinträchtigt werde, dass Flächen vergrasten und dort Lebensräume für Mäuse entstünden.
Besonders schädlich für den Wald seien darüber hinaus die großen "Schalenwildbestände" - also etwa Rehe und Hirsche. In Deutschland betrage der Wildbestand derzeit schätzungsweise das zehn bis 20-fache des Bestandes, der von Natur aus in den Wäldern zu finden wäre.
Der Forst-Professor und Vorsitzende des Programms für die Anerkennung von Waldzertifizierungssystemen (PEFC), Andreas Bitter, wies auf die Finanzierungsschwierigkeiten der Forstbetriebe hin. Bislang sei die Waldpflege allein aus Holzerlösen bezahlt worden. Dies sei angesichts zusammengebrochener Holzmärkte nicht mehr möglich. Der Wernigeroder Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) schilderte die Situation im Harz. Dort sei der Wald inzwischen grau, wo er vor drei Jahren noch grün gewesen sei. Er gehe davon aus, dass es 30 Jahre dauern werde, um die Schäden aus den vergangenen drei Jahre zu beheben.
In der Waldzustandserhebung 2019 heißt es, dass im Durchschnitt aller Baumarten "der Kronenzustand noch nie so schlecht" war wie im vergangenen Jahr. Anhaltende Dürren hätten 2018 und 2019 verbreitet zum vorzeitigen Abfallen der Blätter geführt. Bei der Fichte hätten sie die weitere Massenvermehrung von Borkenkäfern begünstigt. Ein Absterben von Bäumen sei verstärkt beobachtet worden.
In Deutschland ist ein Drittel der Landesfläche (11,4 Millionen Hektar) mit Wald bedeckt. Die häufigsten Baumarten sind Nadelbäume wie Fichte (25 Prozent) und Kiefer (23 Prozent). Erst dann folgen die Laubbäume Buche (16 Prozent) und Eiche (11 Prozent). Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht angesichts der Schäden der vergangenen zwei Jahre sowie der erwarteten Schäden für das laufende Jahr davon aus, dass eine Fläche von 245.000 Hektar wiederbewaldet werden muss - das entspricht fast der Fläche des Saarlands.