Berlin, New York (epd). Die Vereinten Nationen fordern von Kolumbien ein schärferes Vorgehen gegen rechtsgerichtete paramilitärische Banden. Besonders Menschenrechtler, ehemalige Kämpfer der Farc-Guerilla und Gemeindevorsteher müssten besser geschützt werden, sagte der Leiter der UN-Mission in Kolumbien, Carlos Ruiz Massieu, am Dienstag (Ortszeit) per Video vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Das Fehlen von Sicherheit sei die größte Herausforderung im Friedensprozess in Kolumbien, der mit dem Friedensvertrag zwischen der Farc-Guerilla und der Regierung Ende 2016 eingeleitet wurde.
Die kolumbianische Regierung müsse weitere Anstrengungen unternehmen, um die gewalttätigen Gruppen zu zerschlagen, sagte Ruiz Massieu. Die Sicherheitslage habe sich während der Corona-Pandemie in vielen Gebieten verschlechtert. Zudem seien regionale Entwicklungsprogramme und nachhaltige Unterstützungsmaßnahmen für mehr Sicherheit notwendig. Dabei müsse ein besonderer Fokus auf ehemalige Farc-Kämpferinnen sowie auf Kinder und Jugendliche gelegt werden, sagte Massieu.
Auch die kolumbianische Außenministerin Claudia Blum betonte, dass die Sicherheit früherer Guerillakämpfer, Menschenrechtler und Gemeindevorsteher die größte Herausforderung bleibe. Die Regierung von Präsident Iván Duque habe Maßnahmen eingeleitet, um ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglichem irregulären Verhalten von Staatsbediensteten zu demonstrieren. Bis Anfang Juli seien wegen 146 von 294 angezeigten Verbrechen gegen Ex-Kämpfer Verfahren Ermittlungen vorangebracht worden.
Unterdessen kritisierte die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", dass in vielen Gebieten Kolumbiens bewaffnete Gruppen im Kampf gegen Corona willkürlich Ausgangssperren verhängt hätten und mit Waffengewalt durchsetzten. Bei Verstößen drohten schwere Strafen bis hin zu Mord. Die Regierung habe es versäumt, in entlegenen Gebieten eine sinnvolle staatliche Präsenz zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen aufzubauen, sagte José Miguel Vivanco, Amerika-Direktor der Organisation. Paramilitärischen Gruppen terrorisierten in mindestens 11 der 32 Bundesstaaten auf diese Weise die Bevölkerung und riegelten ganze Gebiete von der Außenwelt ab.
Neben zahlreichen paramilitärischen Gruppen ist in Kolumbien noch die marxistische ELN als letzte Guerillaorganisation aktiv. Während der Pandemie hatte die ELN eine Waffenruhe angeboten und Präsident Duque aufgefordert, die Friedensgespräche wieder aufzunehmen. Ministerin Blum bekräftigte dazu die Bedingungen: Die ELN müsse erst ihren Friedenswillen durch die Freilassung aller Geiseln und die Einstellung aller kriminellen Handlungen demonstrieren. Die von der ELN Ende März wegen Corona verkündete einseitige Waffenruhe sei nicht eingehalten worden, und es gebe keine Signale, dass sich das ändern werde.
Bei dem seit mehr als 50 Jahren andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen staatlichen Kräften, linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs wurden mehr als 260.000 Menschen getötet, etwa sieben Millionen wurden vertrieben. Etwa 80.000 Kolumbianer gelten als vermisst. Das Land ist bis heute zerrissen.