Präses Rekowski: Deutschland muss EU-Flüchtlingspolitik voranbringen

Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
© epd-bild/Stefan Arend
Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, fordert den Staat, mehr Geld für die Integration von Flüchtlingen bereitzustellen.
Präses Rekowski: Deutschland muss EU-Flüchtlingspolitik voranbringen
Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski erhofft sich von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, dass Bewegung in die festgefahrene europäische Flüchtlingspolitik kommt.
14.07.2020
epd
epd-Gespräch: Ingo Lehnick

"Dass die deutsche Ratspräsidentschaft hier Bewegung erzeugen will, die humanitäre Lösungen erleichtert und ermöglicht, ist ein sehr positives Vorzeichen", sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst. Dabei sei etwa im Blick auf die Lage der Menschen in den überfüllten griechischen Flüchtlingscamps jeder kleine Schritt und jede Einzelfall-Lösung wichtig und gut.

Zugleich müsse immer wieder daran erinnert werden, "dass das Problem deutlich größer ist und wir auch grundlegende Lösungen brauchen", betonte der Theologe, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Angesichts der dramatischen Situation im Mittelmeer und in Griechenland müsse es vor allem bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU Fortschritte geben: "Jedes Bemühen, das Sterben im Mittelmeer zu verhindern, verdient unsere Unterstützung."

Ursachen, nicht Menschen bekämpfen

Kritisch beurteilt Rekowski Bestrebungen, die Überfahrt von Bootsflüchtlingen über das Mittelmeer durch eine engere Zusammenarbeit mit afrikanischen Behörden zu stoppen. Dies sei "kein wirklicher Beitrag zur Lösung des Weltproblems Flucht, weil es in der Regel darauf abzielt, die Flüchtlinge aus unserem Blick zu bringen und sie von Europa fernzuhalten", betonte der leitende Theologe der rheinischen Kirche. "Wir müssen uns mit dem Schicksal von Menschen auf der Flucht intensiv befassen und versuchen, ihre oft erbärmliche Situation substanziell zu verändern." Hier seien Europa und die Weltgemeinschaft gefragt.

Auch eine von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson angekündigte Stärkung der EU-Agenturen Frontex und Europol sieht Rekowski skeptisch. "Mit ihnen verbindet sich oft die Strategie, nicht Fluchtursachen zu bekämpfen, sondern Menschen, die auf der Flucht sind", unterstrich der 62-Jährige. Damit werde vor allem versucht, zu verhindern, dass Bootsflüchtlinge Europa erreichen.

Einen wesentlichen Ansatz zur Lösung des "Weltproblems Flucht" sieht Rekowski darin, die Nachbarstaaten von Krisenländern intensiv zu unterstützen. Dort kämen drei Viertel der weltweit 80 Millionen Flüchtlinge an. Daher sollten Bedingungen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass sich Menschen von dort "nicht auf lebensgefährliche Fluchtwege in weiter entfernte Regionen begeben müssen".

Scharfe Kritik äußerte der EKD-Migrationsexperte an der Festsetzung des deutschen Rettungsschiffs "Sea-Watch 3" durch die italienischen Behörden. Der Fall wirke so, als sollte die Rettung von Menschen behindert werden. Dies hänge auch mit der ungelösten Verteilungsfrage zusammen. "Ich halte es für erforderlich, dass zur Rettung von Menschen in Seenot alles Menschenmögliche geschieht", sagte Rekowski. Die EKD habe deshalb sehr bewusst entschieden, sich an der Seenotrettung aktiv zu beteiligen. Er hoffe, dass das von der evangelischen Kirche mitinitiierte Rettungsschiff "Sea-Watch 4" ab Anfang August seine Aufgabe im Mittelmeer wahrnehmen könne.