Hans Löw und Katharina Marie Schubert spielen zwei Menschen um die vierzig, Martin und Fiona, die sich einst als Teenager ineinander verliebt haben. Sie war Au-pair-Mädchen für seine kleinen Geschwister, er träumte von einer Karriere als Musiker; als sie überstürzt abreisen musste, haben sie sich aus den Augen verloren. Nach zwanzig Jahren treffen sie sich zufällig in einer Hotelbar wieder: Fiona ist Single und Managerin einer britischen Popband, Martin hat Familie und ist ins Unternehmen seines Vaters eingestiegen. Es dauert nicht lange, bis die alten Gefühle wieder erwachen. Die beiden fahren an die Ostsee ins Ferienhaus der Familie, wo sie einst einen gemeinsamen Sommer verbracht haben. Martin hat weder privat noch beruflich sein Glück gefunden und wäre bereit, für Fiona alles aufzugeben, aber sie spürt, dass er sich erst von seinem dominanten Vater lösen muss. Außerdem hütet sie gleich zwei Geheimnisse: eins, das sie verbindet, und eins, das sie trennt.
Faszinierend an "Zwei" ist weniger die Romanze als solche, sondern der Rahmen, in den das Drehbuch von Ariane und Frank Zeller (Bearbeitung: Annette Simon) die Beziehung stellt: Im Grunde erzählt der Film eine "Coming of Age"-Geschichte, denn Martin hat in seiner Jugend einen entscheidenden Schritt Richtung Erwachsenwerden verpasst. Nicht minder reizvoll ist die zweite Chance: Am Ende des Lebens gilt die größere Reue der meisten Menschen nicht den Fehlern, die sie begangen haben, sondern jenen, die sie nicht begangen haben. Martin bekommt eine Gelegenheit, von der fast jeder träumt: Als hätte ihn eine Zeitmaschine zurück in die Mitte der Neunzigerjahre katapultiert, steht er wie damals an einer Weggabelung und hat nun die Möglichkeit, sich für die andere Richtung zu entscheiden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Ariane Zeller, die den Film auch inszeniert hat, erzählt die Geschichte in drei Akten, zwischen denen jeweils ein längerer Zeitraum liegt; die Handlung trägt sich mit Ausnahme des Prologs in der Hotelbar und einer wenig erfreulichen Stippvisite beim Firmenjubiläum ausschließlich in dem Urlaubsdomizil und am Strand zu. Für die Entwicklung der elliptisch erzählten Geschichte hat das Ehepaar Zeller fünf Jahre gebraucht; der Film selbst ist in erstaunlichen 16 Drehtagen entstanden. Dass die Produktion so reibungslos funktioniert hat, dürfte auch an den beiden Hauptdarstellern liegen: Löw und Schubert ergänzen sich ausgezeichnet, die Chemie zwischen den beiden funktioniert vortrefflich. "Zwei" ist Zellers erster Fernsehfilm seit der Sat.1-Komödie "Das total verrückte Wochenende" (2009). Ihre Karriere erlebte vor gut zehn Jahren einen Einschnitt, als bekannt wurde, dass die frühere NDR-Fernsehfilmchefin Doris Heinze mehrere Drehbücher hatte verfilmen lassen, die sie selbst oder ihr Mann Claus Strobel unter einem Pseudonym verfasst hatten. Bei zwei dieser Filme ("Heiraten macht mich nervös", 2005; "Der zweite Blick", 2006), hat Zeller Regie geführt. Zuletzt war sie an der ARD-Vorabendserie "Dating Daisy" beteiligt, davor hat sie einen Dokumentarfilm gedreht. Von ihren früheren oft eher leichten Fernsehfilmen unterscheidet sich "Zwei" nicht zuletzt durch den für eine Liebesgeschichte ungewöhnlich ernsten Tonfall. An den Gefühlen zwischen Fiona und Martin besteht kein Zweifel, aber das Drehbuch konzentriert sich vor allem auf die Konflikte zwischen dem Paar.
Sehenswert ist der Film nicht nur wegen Löw und Schubert, sondern auch wegen der Bildgestaltung. Aufgrund der vielen Dialoge wirkt "Zwei" über weite Strecken wie ein geschickt adaptiertes Theaterstück. Allerdings streut Zeller zwischen den Akten Passagen ein, in denen die Beteiligten und somit auch die Handlung zur Ruhe kommen. Kameramann Florian Emmerich und Komponist Oliver Thiede füllen diese wohltuende Leere mit schönen Ostseebildern und noch schönerer Musik. Reizvoll ist auch das ästhetische Konzept, das die jeweiligen Stimmungen des Paars in den unterschiedlichen Akten perfekt widerspiegelt. Und dann gibt es noch einen kleinen Besetzungscoup, der belegt, wie viel Herzblut die Beteiligten in das Projekt investiert haben: Der große Schweizer Theaterschauspieler Jürg Löw, Hans’ Vater, war bereit, in einer kurzen, aber wichtigen Szene mitzuwirken, die praktisch ohne Worte das gestörte Verhältnis zwischen Martin und seinem Vater illustriert.