TV-Tipp: "München Mord: Die ganze Stadt ein Depp" (ZDF)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "München Mord: Die ganze Stadt ein Depp" (ZDF)
11.7., ZDF, 20.15 Uhr
Schon der Titel ist wunderbar treffend: "Die ganze Stadt ein Depp" bezieht sich auf den Ausnahmezustand, in den München zu Zeiten des Oktoberfests verfällt. Auch sonst bleibt die siebte "München Mord"-Episode dem hohen Niveau der früheren Folgen treu.

Mit Ausnahme von "Schwarzach 23" (ebenfalls ZDF) gibt es keine Krimireihe im deutschen Fernsehen, deren Dialoge und hintergründige Situationskomik von vergleichbarer Qualität wäre. Das Drehbuch (der Film ist eine Wiederholung von 2018) stammt diesmal von Matthias Kiefersauer und Alexander Liegl, aber der wichtigere Name ist womöglich Sascha Bigler. Der Sohn von Christiane Hörbiger hatte zuvor bereits mit seinem Debüt "Meine Schwester" sowie einem "Tatort" aus Österreich ("Unvergessen", beide 2013) bewiesen, welch’ großes Regietalent in ihm steckt; mit den beiden "Kommissar Pascha"-Filmen (2017) hat er dann gezeigt, dass er auch das Genre der typischen Münchener Krimikomödie beherrscht. Seine Inszenierung von "Die ganze Stadt ein Depp" belegt zudem, warum die Entscheidung der ARD, die "Pascha"-Filme nicht fortzusetzen, überaus bedauerlich ist: Nirgends wirken skurrile Krimicharaktere so authentisch wie in der bayerischen Landeshauptstadt. Die große Kunst besteht dabei im Feingefühl, damit die Figuren nicht zu Karikaturen werden. Das gilt auch für das Trio von "München Mord": Es lässt gar nicht exakt beschreiben, warum Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen), Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier) und ihr Chef Ludwig Schaller (Alexander Held) aus dem üblichen Krimirahmen fallen. Sie sind einfach anders als die anderen TV-Ermittler, und genau darin liegt ihre kriminalistische und von Helmut Zangel (Christoph Süß), dem Leiter der Mordkommission, stets unterschätzte Stärke. Diesmal überträgt er dem Trio einen Mordfall, in den er selbst verwickelt ist: Während des Oktoberfests wird der frühere Hausmeister (Nikolaus Paryla) der Musikhochschule mit einem Maßkrug erschlagen. Der Mann war ein Nachbar Zangels, der dem Täter beinahe in die Arme gelaufen ist. Dass er die Abteilung vom Abstellgleis mit dem Fall betraut, hat allerdings andere Gründe.

Schaller braucht nicht lange, um zu erkennen, dass es sich um Raubmord handelt: Inmitten vieler Fotos hing ein Gemälde, bei dem es sich womöglich um ein seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollenes und entsprechend wertvolles Bild von Paul Klee handelt. Kiefersauer und Liegl erzählen nun eine scheinbar gewöhnliche Krimigeschichte mit den üblichen Verdächtigen, zu denen unter anderem Uli Schmidbauer (Martin Feifel), der Nachfolger des Opfers als Hausmeister, sowie die plötzlich zu Geld gekommene intrigante Musikstudentin Stella (Judith Neumann) gehören. Dieser Teil der Handlung ist im Grunde Krimialltag: interessant, aber nicht weiter aufregend. Ungewöhnlich wird der Film, weil Flierl, Neuhauser und Schaller immer wieder in Situationen geraten, die andere Fernsehermittler eher selten erleben. Diesmal darf die Ukulele spielende Oberkommissarin ihrer musikalischen Neigung nachgehen und eine Bekanntschaft mit einem Flötisten (David Zimmerschied) eingehen, muss aber erkennen, dass die Aufforderung, er möge seine Flöte auspacken, auch falsch verstanden werden kann. An potenziell plumpen Szenen wie diesen zeigt sich, warum die Reihe Regisseure mit Feingefühl braucht: weil der Moment wider Erwarten nicht zotig ist. Das liegt natürlich auch an der Art, wie Bernadette Heerwagen diese Figur verkörpert; sie braucht nur Nuancen, um zu erreichen, dass das Fräulein Flierl stets ein wenig wie aus der Welt gefallen wirkt.

Eine ebenfalls sehr schön gestaltete Nebenrolle spielt Tim Seyfi, Biglers Hauptdarsteller aus den "Pascha"-Filmen: ein Ladenbesitzer, der Touristen aus aller Welt mit Dirndl und Lederhose versorgt, im Hintergrund aber einen schwunghaften mit Devotionalien aus der NS-Zeit treibt. Dank Seyfis Charme ist dieser Mann sogar sympathisch. Mit den Nazi-Reliquien versorgt ihn Schmidbauer, denn die Musikschule war einst der sogenannte Führerbau (das haben sich die Autoren nicht ausgedacht), in dessen angeblich seit damals unveränderten Katakomben der Hausmeister allerlei vermeintliche Schätze und Flierl und Neuhauser fast den Tod finden. Warum der Raubmörder das Gemälde ausgerechnet hier versteckt hat, bleibt zwar ebenso ein Rätsel wie die Tatsache, wie die ältere Schwester des Opfers das Gemälde einst als kleines Kind klauen konnte hat, aber das tut dem Vergnügen dieses Films mit seinen immer wieder herrlich unnötig komplizierten Dialogen und einigen boshaften Einfällen am Rande keinen Abbruch.