Die Überraschung des Films ist der Hauptdarsteller, zumindest für all jene, die Paul Würdig alias Sido nicht schon in dem Kinofilm "Halbe Brüder" gesehen haben: Der Rapper ist ein richtig guter Schauspieler. Hier spielt er einen heruntergekommenen ehemaligen Clubbesitzer, der bei Hartz IV und im Plattenbau gelandet ist, nachdem ihn Frau und Tochter verlassen haben. Es dauert eine Weile, bis das Drehbuch von Grimme-Preisträgerin Laila Stieler ("Die Polizistin") zur Sache kommt, denn erst mal erlebt Johnny ein verunglücktes Date ein: Ein Junge, offenkundig mit fremdländischen Wurzeln, wird bedroht, Johnny steht ihm bei, die beiden können fliehen.
Avram (Rauand Taleb) ist Serbe und gehört zu den Roma, aber das spielt erst eine Rolle, als er Johnny bittet, seiner Cousine vorübergehend Asyl zu gewähren: Sophia (Michelle Barthel) sollte einen "alten Knacker" heiraten und ist von der Hochzeit abgehauen. Nun steht sie da in ihrem prachtvollen knallroten Prinzessinnenkleid, und weil Johnny ein großes Herz hat, nimmt er sie auf, zumal sich die junge Frau, die kaum deutsch kann, offenbar umgehend in ihn verliebt. Deshalb stimmt er auch zu, dass ihre Eltern sie besuchen dürfen, weil sich Sophia mit ihnen versöhnen will. Und jetzt endlich kommt es zum "Culture Clash“, denn Vater und Mutter bringen die komplette Sippe mit, sodass sich bald weit über ein Dutzend Menschen aller Altersgruppen in Johnnys Wohnung tummeln.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Regisseurin Buket Alaku? (Grimme-Preis für "Eine andere Liga", 2007) hat schon einige Geschichten dieser Art erzählt, meist komisch ("Der Hodscha und die Piepenkötter", "Einmal Hans mit scharfer Soße"), zuletzt auch mal bitter ernst ("Die Neue"). "Eine Braut kommt selten allein" ist beides: im Grunde eine doppelte Tragödie, aber komisch verpackt. Während an Johnny vor allem der Weltschmerz nagt, sind die Roma deutlich schlechter dran. Die Großfamilie hält sich illegal in Deutschland auf und soll abgeschoben worden, aber im Vergleich zu der Brücke, unter der sie in Serbien gehaust haben, ist Johnnys spärlich möblierte Dreizimmerwohnung das Paradies. Nach dem Einzug beschränkt sich Film darauf zu beschreiben, wie Johnny mit der Situation klarkommt.
Gäste, findet er, zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie irgendwann wieder abreisen, aber Sophias Sippe macht keinerlei Anstalten, das neue Heim zu verlassen. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Beziehung zu Sophia, zumal sich Johnny mittlerweile fragt, ob das nicht alles von Anfang an so geplant war. Zwischendurch hätte der Geschichte eine etwas straffere Erzählweise sicher gut getan. Stielers episodisches Konzept beschränkt sich zudem über weite Strecken darauf, witzige Situationen aneinanderzureihen: Johnny macht "Armer Ritter", Sophia aus seiner kleinen Cannabis-Plantage einen leckeren Salat. Irgendwann geht dem Film vorübergehend sogar die Handlung aus, aber zum letzten Akt wird die Sache wieder spannend: Die Ausländerbehörde hat die Roma entdeckt, nun droht ihnen die Abschiebung; und Johnny entwirft einen verzweifelten Plan.
Ähnlich eindrucksvoll wie das jederzeit überzeugende Spiel von Würdig ist die Leistung von Michelle Barthel. Sie hat gleich für ihre erste Hauptrolle (in Aelrun Goettes Jugenddrama "Keine Angst", 2009) diverse Auszeichnungen erhalten, darunter auch den Grimme-Preis, aber die Titelrolle von "Eine Braut kommt selten allein" stellte sie vor völlig andere Aufgaben: Barthel beweist, dass sie auch über großes komödiantisches Talent verfügt. Eine spezielle Herausforderung dürften die Dialoge gewesen sein. Mit Johnny spricht Sophia ein lustiges Übersetzungs-App-Deutsch, aber mit ihrer Sippe redet sie natürlich in ihrer eigenen Sprache.
Die Rolle von Johnnys Ex-Frau ist mit Mit Petra Schmidt-Schaller überraschend prominent besetzt. Idil Üner, die für Balakus schon die Hauptrolle in "Einmal Hans…" verkörpert und auch in "Die Neue" mitgewirkt hat, spielt eine Polizistin, die am Anfang Johnnys Date ist und ihm gegen Ende den entscheidenden Tipp gibt, wie er die Roma retten kann. Amüsante Gastauftritte hat auch Stephan Grossmann als politisch korrekter Nachbar, der Johnny belehrt, es heiße Geflüchtete, nicht Flüchtlinge. In dieser Hinsicht ist Stielers Drehbuch ohnehin beinahe satirisch: Solange die Roma Serben sind, wollen alle sie loswerden; als Johnny sie zu Syrern erklärt, ist das Mitgefühl groß. In einer der witzigsten Szene bekommen er und Sophia in der S-Bahn Ratschläge von den Mitreisenden, wie sie die Scharade durchziehen können. Ein Sonderlob gebührt der kleinen Mitzi Kunz, die ihre Sache als Johnnys Tochter ganz fabelhaft macht.