Berlin (epd). Im Kampf gegen Kindesmissbrauch will die Bundesregierung das Strafrecht verschärfen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich bei der Vorstellung ihrer Reformvorschläge am Mittwoch in Berlin zuversichtlich, dass Gesetzesänderungen noch in diesem Jahr beschlossen werden könnten, wenn Bund und Länder an einem Strang zögen.
Neben höheren Strafen dringt Lambrecht auf Änderungen im Justizwesen, für das die Länder zuständig sind. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht in den Strafverschärfungen einen wichtigen Schritt. Wichtiger sei es aber, den Ermittlungsdruck zu erhöhen, erklärte er.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder soll als Verbrechen eingestuft werden. Das bedeutet in allen Fällen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug. Lambrecht sagte, dass selbst bei schwerem sexuellen Missbrauch Geldstrafen verhängt worden seien, damit müsse "Schluss sein".
Besonders spürbar sollen die Strafen für den Besitz und die Verbreitung von Bildern und Filmen erhöht werden, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder zeigen. Beides soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. Bisher können Täter mit Geldstrafen oder drei Monaten Haft davonkommen. Lambrecht sagte, bei der sogenannten Kinderpornografie handele es sich nicht um fiktive Bilder, vielmehr werde Kindern "unglaubliches Leid zugefügt". Die Höchststrafen steigen den Vorschlägen zufolge von drei auf fünf Jahre für den Besitz und von fünf auf zehn Jahre für die Verbreitung der Bilder und Filme.
Netzwerke und Täterringe wie in den Missbrauchskomplexen von Münster und Bergisch Gladbach haben mit härteren Strafen nicht unter zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug zu rechnen. Lambrecht sagte, "angesichts der Dimension dieser systematisch organisierten Gräueltaten müssen wir ein ganz klares Signal aussenden, dass die Täter mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden". Im Fall Bergisch Gladbach verfolgen die Ermittler inzwischen die Spuren von rund 30.000 Konsumenten und Tätern.
Lambrecht sagte, es müsse deutlich werden, dass man nicht länger von "Missbrauch" sprechen könne: "Kinder sind keine Sache, sie können nicht missbraucht werden - sondern es ist Gewalt, die ausgeübt wird und das wird sich auch im Gesetzestext ausdrücken." Bei schwerem Missbrauch werde der minder schwere Fall gestrichen, kündigte sie an, und es werde der Justiz erleichtert, Untersuchungshaft zu verhängen.
Familien- und Jugendrichter sollen nach Lambrechts Vorstellung für den Umgang mit betroffenen Kindern besser ausgebildet werden. Dazu wolle sie den Ländern Vorschläge machen, sagte sie. Es sei wichtig, dass die Sicht der Kinder mehr Berücksichtigung finde.
Der Missbrauchsbeauftragte Rörig begrüßte die Vorschläge, erklärte aber, allein mit einem schärferen Strafrahmen sei noch nichts erreicht. Er sagte der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch), für die Tausenden von Missbrauchstätern müsse das Entdeckungsrisiko größer werden. Ermittlungserfolge habe man gegenwärtig dort, wo, wie in Nordrhein-Westfalen, Personal verstärkt, Technik modernisiert und Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet würden, aber, so Rörig weiter: "Wir hätten viel höhere Erfolgsraten im Kampf gegen Missbrauch im Netz, wenn die IP-Adressen in Deutschland nicht so schnell gelöscht würden."