Kinderschutzbund: Prävention gegen Missbrauch statt Strafverschärfung

Kinderschutzbund: Prävention gegen Missbrauch statt Strafverschärfung

Berlin (epd). Der Deutsche Kinderschutzbund hat mehr Prävention gegen Kindesmissbrauch gefordert. Es sei oft der erste Reflex der Politik, eine Strafrechtsverschärfung zu fordern, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, am Dienstag in einer Online-Pressekonferenz. "Das hilft aber meistens nichts", erklärte er. Es gebe eine ausreichende Gesetzgebung etwa bei schwerem sexuellen Missbrauch: "Darauf stehen 15 Jahre mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Eine Steigerung ist da schwerlich vorstellbar." Der Kinderschutzbund appellierte an die Justiz, das Strafmaß auch tatsächlich auszuschöpfen, wenn das angemessen sei, "schon allein als Zeichen an die Opfer".

Der Kinderschutzbund mahnte mehr Gelder für Präventionsmaßnahmen an. Es komme fast drei Mal in der Woche zu tödlichen Gewaltexzessen gegen Kinder in Deutschland. Hier sei mehr Schutz notwendig.

Um gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorgehen zu können, seien Kinderrechte zu stärken, sagte Hilgers weiter. Das müsse im Grundgesetz verankert werden. Essenziell sei hier das Recht auf Beteiligung. So sollten Kinder und Jugendliche etwa einen Anspruch darauf haben, von Jugendämtern oder vor Gericht gehört zu werden. "Vielen Kindern wäre oft viel Leid erspart geblieben, wenn Behörden und Ämter früher aktiv geworden wären und auf Signale reagiert hätten", sagte Hilgers.

Mit Festnahmen und Durchsuchungen in mehreren Bundesländern war die Polizei kürzlich gegen ein Netzwerk mit Zentrum in Münster vorgegangen, das für schweren sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie verantwortlich sein soll. Elf Beschuldigte wurden festgenommen.

Zu einer guten Prävention gehöre es, besonders geschulte Pädagogen als Beratungsinstanzen zu etablieren, etwa in Kitas und an Schulen, sagte Sabine Andresen vom Kinderschutzbund: "Sie müssen für die Kinder niederschwellig erreichbar und imstande sein, Verdachtsfälle schnell abzuklären." Ein weiteres zentrales Element sei, die Gesellschaft weiter zu sensibilisieren: "Wir brauchen einen Runden Tisch, der Fragen abklärt wie: Wie müssen wir uns als Gesellschaft aufstellen, um etwas zu erreichen?", sagte Andresen, die auch Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung ist.

Zudem forderte Andresen eine kindgerechte Justiz, die eine an Kindern orientierte Vorgehensweise erlaube: "So sollten Kinder nicht mehrfach Verhöre über sich ergehen lassen müssen, sondern es sollte nur ein einziges Verhör qualifiziert durchgeführt und aufgezeichnet werden." Dazu sei es nötig, Personal zu schulen und flächendeckend Kompetenzzentren für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu etablieren.