Düsseldorf (epd). Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung haben sich für eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns in Deutschland auf zwölf Euro pro Stunde ausgesprochen. In einem aktuellen Gutachten verweisen die Experten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) sowie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) darauf hin, dass die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 und spätere Erhöhungen auf heute 9,35 Euro "die Einkommenssituation von Millionen Menschen in Deutschland verbessert" hätten, wie die gewerkschaftsnahe Stiftung am Freitag in Düsseldorf mitteilte.
Der Mindestlohn habe den privaten Konsum spürbar unterstützt, solche positiven Impulse seien zur Bewältigung der Corona-Krise derzeit besonders wichtig, hieß es. "Politik und Ökonomen sind sich einig, dass die Nachfrage in Deutschland nach den Einschränkungen zur Corona-Bekämpfung dringend angekurbelt werden muss", sagte der WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten. Eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns wäre deshalb ein weiterer wichtiger Baustein.
Auch der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, plädiert in der Corona-Krise für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Zugleich lehnte er im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einen Sprung auf zwölf Euro ab. "Jetzt mitten in der Krise sind zwölf Euro auf jeden Fall ein No-Go", sagte Fitzenberger. Die Erhöhung solle sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren. Bis Ende Juni soll die zuständige Mindestlohnkommission aus Gewerkschaftern, Arbeitgebervertretern und Wissenschaftlern einen Vorschlag vorlegen, wie der Mindestlohn 2021 angepasst werden soll.
Gemessen am mittleren Lohn von Vollzeitbeschäftigten in der Europäischen Union lag der deutsche Mindestlohn mit 45,6 Prozent niedriger als im EU-Durchschnitt (50,7 Prozent). Würde der Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro angehoben, könnten davon rund zehn Millionen Beschäftigte profitieren, hieß es. Nach Berechnungen des IMK hätte die Anhebung positive gesamtwirtschaftliche Auswirkungen: So fiele langfristig der private Konsum preisbereinigt um 1,4 bis 2,2 Prozent höher aus als ohne eine Steigerung. Die Wirtschaftsleistung läge um 0,5 bis 1,3 Prozent höher.
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