Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ungarn wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt, weil dessen Parlament sechs Journalisten zeitweilig den Zutritt verboten hatte. Sie hätten 2016 Premierminister Viktor Orban, den Sprecher des Parlaments und weitere Abgeordnete an Stellen des Parlamentsgebäudes mit Fragen konfrontiert und gefilmt, die nicht zur Berichterstattung vorgesehen waren, erklärte der Menschenrechtsgerichthof am Dienstag in Straßburg. Dennoch sei der Entzug der Akkreditierungen nicht angemessen (AZ: 63164/16).
Bei den Interviews oder versuchten Interviews ging es laut Gericht um vermeintliche illegale Zahlungen im Zusammenhang mit der ungarischen Nationalbank und damit um ein Thema von öffentlichem Interesse. Am folgenden Tag entzog das Parlament den Journalisten die Akkreditierung für das Gebäude, nach einigen Monaten hob es die Suspendierung auf.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass die Journalisten tatsächlich gegen die Regeln zur Berichterstattung im Parlament verstoßen hätten und stellte diese auch nicht grundsätzlich infrage. Er verurteilte den Entzug der Akkreditierungen dennoch, weil die damit verbundenen Einschränkungen der Meinungsfreiheit unter anderem nicht gegen Missbrauch geschützt gewesen seien. So sei für den Entzug beispielsweise keine Einschätzung der daraus resultierenden Folgen verbunden gewesen, erklärte das Gericht. Die Journalisten hatten demnach auch keine Möglichkeit, wirksam dagegen vorzugehen.
Nach Angaben des Menschenrechtsgerichthofs hat Ungarns Parlament die entsprechenden Regeln inzwischen geändert. Unter anderem wurden demnach eine Frist für den Entzug journalistischer Akkreditierungen und die Möglichkeit des Widerspruchs eingeführt.