Regie führte erneut die offenkundig hochtalentierte Berlinerin Isabell Šuba. Das Drehbuch stammt diesmal vom umtriebigen Timo Berndt, der maßgeblich die ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" geprägt hat. Seine Geschichte sorgt auf geschickte Weise dafür, dass das Ermittlerduo Fina Valent und Xavi Bonet (Anne Schäfer und Clemens Schick) ganz persönlich in den aktuellen Fall involviert ist.
Der Film beginnt gleich doppelt spektakulär. Die ersten Aufnahmen zeigen imposante Brandungsbilder (Kamera: Jens Harant) sowie ein Liebespaar: Finas Teenager-Tochter Maria (Tara Fischer) tummelt sich mit Felix (Marcel Gisdol), ihrer ersten großen Liebe, am Strand. Die romantische Szene ist jedoch nur ein Vorspiel: Die beiden gehören zur militanten Jugendbewegung Ocupar, die dagegen protestiert, dass Barcelona zum Spekulationsobjekt gieriger Immobilienhaie wird. Es folgt eine dank Musik, Kamera und Schnitt äußerst packende Szene, in der sich die Aktivisten mit großem Gejohle auf das Autor von Nestor Rodriguez (Michael Rotschopf) stürzen. Der Investor aus Madrid ist auf dem Weg zu einer seiner Baustellen, wo er sich mit seinem katalanischen Mann fürs Grobe treffen will; aber Bauunternehmer Macario Herera ist erschlagen worden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Nun gönnt sich der Film eine kurze Verschnaufpause, um die beiden Hauptfiguren einzuführen: Xavi verzehrt sehr entspannt auf seinem Motorrad ein Eis, Fina geht der letzte Fall noch nach. Dann wird’s wieder hektisch: Als sie unter den auf Krawall gebürsteten Demonstranten ihre Tochter erspäht, stürzt sich Fina ins Getümmel und gerät zwischen die Fronten. Xavi will ihr helfen und wird niedergeschlagen; außerdem klaut ihm jemand die Pistole. Die Handlung kommt erst zur Ruhe, als die beiden über den Leichenfund informiert werden. Für Xavi, der ein großes Herz für die Haltung der Jugendlichen hat, weil sich Barcelona mehr und mehr zu einem "Disneyland für Touristen" entwickele, ist Rodriguez der Hauptverdächtige.
Fina sieht das anders: Sie weiß, dass sich der Baulöwe nie die Hände schmutzig machen würde. Der Madrilene ist nicht nur ein alter Freund ihrer Familie, sie hatte einst auch eine leidenschaftliche Affäre mit dem verheirateten Mann; kein Wunder, dass sie bei den Ermittlungen nicht ganz unbefangen ist. Hinzu kommt die Sorge um Maria: Sie fürchtet, dass ihre Tochter in großer Gefahr ist; erst recht, als sich rausstellt, dass Felix der Sohn des Opfers ist. Auch für Xavi ist die Suche nach dem Mörder kein Fall wie jeder andere: Mittendrin in den Tumulten steckt sein alter Freund Ruben (Michael Sideris), denn Rodriguez und Herera haben ihn um Ehe und Existenz gebracht. Die Geschichte ist jedoch nicht nur emotional komplex. Motor der Handlung wird ein Notizbuch mit brisanten Daten, die das gesamte politische Gefüge Barcelonas erschüttern könnten; die nach dem roten Büchlein sorgt bis hin zum dramatisch-tragischen Finale für einige weitere spannende Szenen.
Die Qualität des Drehbuchs liegt aber auch in der Zeichnung der Figuren; Berndt hat es klug vermieden, die Personen in simple Klischees abrutschen zu lassen. Die Führung der Darsteller spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. Bettina Hoppe zum Beispiel verkörpert die Witwe des Opfers auf sehr eigenwillige und fast schon eigenartige Art, wodurch es ihr jedoch gelingt, dieser Nebenfigur eine überraschende Tiefe zu verleihen. Michael Rotschopf ist als arroganter Schurke immer eine bewährte Besetzung, aber aus Finas Perspektive bekommt Rodriguez natürlich zusätzliche Facetten. Auch hier hilft ein Kniff: Als sich die Polizistin mit ihrem einstigen Geliebten trifft, geht die Sehnsucht mit ihr durch, was zu einer fast skurril anmutenden imaginierten Tanzszene mitten im Restaurant führt. Auch Xavi hat so einen Moment. Das Duo ist aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im letzten Film ohnehin noch angegriffen. Fina hatte einen Unschuldigen erschossen und leidet nun unter Schießhemmung, Xavi trauert um die entführte kleine Luisa, die er unter seine Fittiche genommen hatte; kleine Reminiszenzen wie etwa das Bild, das das Mädchen für ihn gemalt hat, sorgen dafür, dass die Gefühle auch im zweiten Film präsent bleiben. Akzentuiert eingesetzte besondere Popsongs unterstreichen die großen Emotionen.
Dritte Hauptfigur neben dem Ermittler-Duo ist diesmal Maria. Tara Fischer, bislang vor allem schmückendes Beiwerk und im Typus der rebellischen Tochter gefangen, kann endlich zeigen, was in ihr steckt; ihre erste Hauptrolle dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Marias gemeinsame Szenen mit dem ähnlich attraktiven Felix sind auch deshalb sehr einprägsam, weil Kostüm und Maskenbild dafür gesorgt haben, dass sich das Pärchen – beide langhaarig und gleich geschminkt – sehr ähnlich sieht. Wie ein potenzielles Paar benehmen sich auch Fina und Xavi, die immer wieder Gründe finden, sich gegenseitig anzugiften, obwohl sie sich im Grunde schätzen. "Blutiger Beton" weckt daher auch viel Neugier auf die Frage, wie es mit dem Duo weitergeht.