Lengerich, Berlin (epd). Der katholische Pfarrer Peter Kossen hat ein Label für faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Fleischindustrie vorgeschlagen. Damit könnten die Verbraucher ein angemessenes Verhalten von Unternehmern unterstützen und die in der Branche bislang übliche Ausbeutung von Leih- oder Werkvertragsarbeitern boykottieren, sagte Kossen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ähnlich äußerte sich auch Diakoniechef Ulrich Lilie. Er warb dafür, generell mehr gegen Ausbeutung und Menschenhandel in Deutschland zu tun.
Kossen betonte, immer mehr Menschen seien bereit, einen Euro mehr für Fleisch und Wurst zu bezahlen, wenn die überwiegend aus Osteuropa stammenden Arbeiter anständig behandelt würden. Bislang sei aber nicht erkennbar, wo und unter welchen Bedingungen das Fleisch verarbeitet worden sei.
Priester Kossen ist im nordrhein-westfälischen Lengerich in der Nähe von Osnabrück tätig. Er hatte sich schon während seiner Tätigkeit im Offizialatsbezirk Vechta für die Rechte osteuropäischer Arbeiter in der Fleischindustrie starkgemacht und Missstände angeprangert.
Kossen sagte, die Corona-Krise lenke jetzt das Licht der Öffentlichkeit auf die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigranten. Er hoffe, dass dadurch endlich auch die Politik reagiere und die verbotenen Praktiken des Lohndumpings und der Massenunterbringung zu Wuchermieten beende. Die Leiharbeit in den Betrieben müsse insgesamt begrenzt werden.
In mehreren Großschlachtereien in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und weiteren Bundesländern waren in den vergangenen Tagen zum Teil mehr als 100 Fälle von Corona-Infektionen festgestellt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte Konsequenzen angesichts der "erheblichen Mängel" bei der Unterbringung der Arbeiter an. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will am Montag ein Konzept dazu vorlegen.
Kossen sagte, ein Label könnte etwa von den Gewerkschaften oder staatlichen Institutionen getragen werden. Es müsse garantieren, dass der damit ausgezeichnete Betrieb sich etwa zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zur Auszahlung des Mindestlohns und zur Einhaltung von Ruhe- und Höchstarbeitszeiten verpflichte.
"Die Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere aus anderen EU-Ländern, im Niedriglohnsektor in Deutschland sind unhaltbar", sagte Diakonie-Präsident Lilie. Ob auf dem sogenannten "Arbeiterstrich" für Tagelöhner oder oft auch in Industrie, Logistik oder Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Saisonarbeit und Landwirtschaft, oft seien Menschen unter teils skandalösen Bedingungen und zu Niedrigstlöhnen beschäftigt.
Die Katholische Landvolkbewegung Deutschland (KLB) übte Kritik am bestehenden Wirtschaftssystem, "bei dem mit geringen Kosten der größtmögliche Gewinn erzielt werden soll". Die soziale Marktwirtschaft werde unter diesen Bedingungen immer mehr zur Makulatur und widerspreche den Prinzipien der christlichen Soziallehre. "Die hohe Anzahl von Werksverträgen hebelt unser Sozialsystem aus", sagten Nicole Podlinski und Korbinian Obermayer, Bundesvorsitzende der KLB.
epd lnb/db jup