Dass sich in der Erlanger Matthäuskirche auch nach acht Jahren immer noch vieles um die Orgel dreht, fällt dem Besucher sofort ins Auge. Bunte Postkarten mit verschiedenen Fotografien und Motiven liegen auf einem Tisch im Vorraum, über dem Opferstock prangt ein Hinweis "für die Orgel" - und ein meterhohes Plakat zeigt, wie viele Pfeifen die neue Orgel besitzen wird, die am 30. Juni 2021 fertig sein soll.
"Es sind über 1.000 Stück", sagt Kantorin Susanne Hartwich-Düfel und zeigt auf die farbigen Vierecke, die eine Pfeife darstellen sollen und deren Klangfarbe und Tonhöhe im Register. Auf vielen der Kästen klebt schon ein Namenszettelchen. Über 500 Orgelpfeifen haben bereits einen Paten. Schon ab zehn Euro ist man für die kleinste dabei, gestaffelt bis zu 1.000 Euro in den tiefen Registern geht der Einsatz weiter. Mancher Pate hat sich eine Pfeife seines Lieblingsregisters ausgewählt, andere die mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens.
Die erst 1961 kurz nach der Kircheinweihung eingebaute Orgel pfeift buchstäblich aus dem letzten Loch. Dabei war sie von Anfang an eine Fehlkonstruktion, wie die Kantorin erklärt: Durch umständlich gebaute Mechanik kommt es oft zu Ausfällen, für die auch billiger Pressspan mitverantwortlich ist. Kirchen-Architekt Gustav Gsaenger hatte nicht nur eine wunderschöne Kirche gebaut, sondern zeichnet auch für den charakteristischen Baustil des Instruments verantwortlich. Beim Innenleben zeigte Gsaenger allerdings weniger Geschick. Und da Kirche und Orgel gemeinsam unter Denkmalschutz stehen, fällt das nun der Kirchengemeinde voll auf die Füße beziehungsweise auf die Ohren.
Zum letzten Mal soll die Orgel am 17. Juli erklingen. Anschließend wird der Prospekt abgebaut und restauriert. Danach schlägt die Stunde der Bonner Firma Klais, die auch das Instrument in der Hamburger Elbphilharmonie gebaut hat. Deren Mitarbeiter bauen dann in den kommenden Monaten die neue Orgel so in und um die ursprüngliche Konstruktion, dass die Ansicht von außen dieselbe bleibt. Damit der Klang dann nicht nur besser, sondern einfach klasse wird, haben sich in den vergangenen Jahren viele Haupt- und Ehrenamtliche der Gemeinde mächtig ins Zeug gelegt und Spenden gesammelt.
Jüngste Spenderin nur ein paar Monate alt
Rund 700.000 Euro sind jetzt schon zusammengekommen. Einige Tausend davon haben Orgelpfeifenpaten wie Joachim Lehmann gespendet. Der Unternehmer hat nicht nur sich, sondern seine ganze Familie mit jeweils einer Patenschaft verewigt. "Erst vor wenigen Monaten die neu geborene Enkelin", erklärt er. Lehmann ist in der Matthäusgemeinde aufgewachsen und kann sich noch an die Eröffnung der Kirche erinnern, die ihn von Kindesbeinen an fasziniert hat.
Der Holzingenieur wurde letztlich von der Kantorin für die Musik und damit auch für die Orgel begeistert. Nicht nur mit Geld, auch mit seiner originalen Bundeswehrfeldküche, die seit einigen Jahren in seinem Besitz ist, unterstützt er seine Gemeinde und das Projekt, wenn zum Gemeindefest die "Gulaschkanone" ausgepackt wird.
1986 kam US-Amerikanerin Amy Schol nach Deutschland und landete gleich an ihrem ersten Tag in einem Orgelkonzert in einer Erlanger Kirche. Seither ist sie vom Klang der "Königin der Instrumente" fasziniert. Auch sie engagiert sich noch mit einer weiteren Aktion: Schol stellt gerne Mäppchen aus afrikanischen Stoffen her. "Musik ist so etwas Wunderbares, die neue Orgel muss unterstützt werden", meint sie.
Wetteinsatz: 100 Tafeln Schokolade
Die Aktion "Werden Sie Orgelpfeifenpate" läuft nun seit anderthalb Jahren, und Schol und Lehmann sind nicht die Einzigen, die nicht nur Geld geben, sondern auch durch besondere Aktionen sammeln: Wie die Fotografin und Postkartengestalterin Monika Vetter oder Cornelia Beilein, die in der Adventszeit Christstollen backt und verkauft. Alleine in der vergangenen Weihnachtszeit hat sie rund 1.500 Euro für die Orgel "erbacken".
Kantorin Susanne Hartwich-Düfel und ihre Paten sind sicher, dass sie die Million bis zur Rechnungsstellung für die neue Orgel voll haben. Mit Pfarrer Bernd Hofmann hat die Musikerin jedenfalls eine Wette laufen: Wenn die Orgel bezahlt ist, bis sie eingeweiht wird, muss er ihr 100 Tafeln Schokolade schenken. Wenn nicht, bekommt er sie. Stichtag ist der Eintritt Hofmanns in den Ruhestand am 19. Juli. Und egal, wie es ausgeht: Zumindest ist dem Orgelprojekt ein süßes Ende gewiss.