Zeit der großen Freiheit

Früherer sächsischer Landesbischof Jochen Bohl wird 70 Jahre alt
© epd-bild/Matthias Rietschel
Der beliebte und engagierte früherer sächsischer Bischof Jochen Bohl war in Sachsen und weit darüber hinaus aktiv, saß im Rat der EKD und meldete sich regelmäßig in gesellschaftlichen Debatten zu Wort. Am Sonntag (19. April) wird er 70 Jahre alt.
Zeit der großen Freiheit
Früherer sächsischer Landesbischof Jochen Bohl wird 70 Jahre alt
Elf Jahre hat Jochen Bohl als Bischof die sächsische Landeskirche geleitet. 2015 trat er in den Ruhestand. Doch er bleibt auch jetzt aktiv.
19.04.2020
epd
Katharina Rögner

Seit fast fünf Jahren ist der frühere sächsische Landesbischof Jochen Bohl im Ruhestand. "Ich führe ein anderes Leben, bin in einer neuen Lebensphase mit anderen Aufgaben", sagt der evangelische Theologe. "Es ist eine Zeit, die man auch genießen kann", fügt er hinzu. Am Sonntag (19. April) wird der gebürtige Westfale, der in Radebeul bei Dresden lebt, 70 Jahre alt.

Der beliebte und engagierte Bischof war in Sachsen und weit darüber hinaus aktiv, saß im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und meldete sich regelmäßig in gesellschaftlichen Debatten zu Wort. Gern und dankbar blicke er auf die vielen Erlebnisse und Begegnungen zurück, die er als Bischof haben durfte, sagt Bohl.

In seine Amtszeit fielen mehrere Großveranstaltungen - etwa die Weihe der Dresdner Frauenkirche nach dem Wiederaufbau 2005 oder 2011 der Deutsche Evangelische Kirchentag in der sächsischen Landeshauptstadt. Diese fünf Tage seien "in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall" gewesen, ein "Fest des Glaubens", erinnert sich Bohl.

Er sei ein "reich beschenkter Mensch", sagte er 2015 kurz vor seiner Verabschiedung als Landesbischof in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gern erinnert sich Bohl auch an den Besuch des US-Präsidenten Barack Obama 2009 in der Dresdner Frauenkirche. Es sei "eine menschlich angenehme Begegnung" gewesen. Der Präsident habe "etwas herzlich Direktes" ausgestrahlt.

Fehlender Respekt und Aufrichtigkeit

Jochen Bohl wurde am 19. April 1950 in Lüdenscheid (Westfalen) geboren und studierte von 1968 bis 1974 Evangelische Theologie in Wuppertal, Marburg und Bochum. Vor nunmehr 46 Jahren trat er in den kirchlichen Dienst. Seit 25 Jahren lebt er in Sachsen. Dort wurde er zunächst 1995 Direktor der Diakonie, 2004 wählte ihn die sächsische Synode zum Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Klar und mit Sachverstand positionierte sich Bohl in der öffentlichen Debatte zu ethischen, gesellschaftlichen und politischen Fragen. In der sächsischen Landeskirche hat ihm die jahrelange Diskussion um die Öffnung sächsischer Pfarrhäuser für homosexuelle Paare viel abverlangt - auch emotional. Im Ringen um eine Lösung fehlte es zeitweise an Respekt und Aufrichtigkeit.

Kalender für Privates und Ehrenamtliches

"Der Ruhestand ist eine Zeit der großen Freiheit", sagt Bohl kurz vor seinem 70. Geburtstag. Er könne sich jetzt Dinge einrichten wie er möchte - ganz im Gegensatz zu seiner Amtszeit. Einen Kalender führt er vor allem für private und ehrenamtliche Aktivitäten. Unter anderem hat Bohl seit 2016 an der Theologischen Fakultät in Leipzig einen Lehrauftrag im Fach Diakoniewissenschaft.

In der aktuellen Corona-Krise predigt er zudem selbst virtuell im Netz. Er lobt die große Kreativität der Kirchgemeinden - von Livestream-Gottesdiensten bis hin zu Briefen und Vorschlägen für Hausandachten. "In der Krise kann Ostern auch mal so gefeiert werden", sagt er, aber das dürfe nicht zur Gewohnheit werden. "Der Glaube ist auf Gemeinschaft angelegt, man kann nicht für sich alleine Christ sein, das ist ein Ding der Unmöglichkeit", betont er.    

Ob der Corona-Krise auch etwas Positives abgetrotzt werden kann, für diese Einschätzung sei es noch zu früh, sagt Bohl. Es gebe aber bestimmte Fragen, die er sich stelle: Beispielsweise, ob wir es mit der Globalisierung übertrieben haben. Er denke zudem an die vielen, vor allem älteren Menschen, die jetzt allein in ihren Wohnungen sitzen. Da wäre es doch sinnvoll, weiter über Mehrgenerationen-Modelle im Familienverbund nachzudenken.  

Bohl selbst genießt das Familienleben. "Ich bin ein leidenschaftlicher Opa", sagt er. Auch sportlich ist er immer noch unterwegs, fährt viel und gern Fahrrad. Mit seinen Enkeln spielt er natürlich auch Fußball.  

Die Feier zu seinem 70. Geburtstag hat er wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Es könne auch der 75. Geburtstag gefeiert werden, sagt er nüchtern. Zu erleben ist der Jubilar an diesem Sonntag zumindest virtuell im Netz - bei einer Predigt in der Radebeuler Friedenskirche.