Die Tragödie war aber nur der Anstoß zur Geschichte dieses Films. Der vor allem für seine historischen Drehbücher vielfach dekorierte Kolditz ("Unsere Mütter, unsere Väter", "Nackt unter Wölfen") hat die Handlung ins Sendegebiet des NDR verlegt und erzählt sie aus der Perspektive von Falke und Lorenz (Wotan Wilke Möhring, Petra Schmidt-Schaller), und das wortwörtlich: Gemeinsam mit Kameramann Alexander Fischerkoesen, dank seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Dominik Graf ein alter Krimihase, hat der junge Regisseur Thomas Stuber dafür gesorgt, dass die Bilder ständig die Sichtweise des Duos von der Bundespolizei wiedergeben. Das beginnt schon mit dem Auftakt und seinen Bildern von der Reise in die Provinz. Gedreht wurde zwar im niedersächsischen Salzgitter, doch "Verbrannt" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2015) könnte in jeder deutschen Kleinstadt spielen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Geschichte beginnt mit einem Polizeieinsatz, der aus dem Ruder läuft: Die Bundespolizei ist einem Passfälscher auf der Spur. Falke und Lorenz observieren zwei Afrikaner. Als sich einer der beiden gegen die Verhaftung wehrt und Lorenz niederschlägt, prügelt Falke wie von Sinnen auf den Mann ein. In derselben Nacht verbrennt der Mann, der sich als völlig unbescholtener Asylbewerber entpuppt, in seiner Zelle. Falke fühlt sich verantwortlich für seinen Tod und will den Fall gemeinsam mit Lorenz aufklären, doch die beiden prallen gegen eine Mauer des Schweigens. Die Polizisten halten eisern zusammen. Dabei sind die Ungereimtheiten offenkundig: Obwohl seine Hände und Füße jeweils einzeln angekettet waren und seine Taschen geleert worden sind, soll der Afrikaner die Matratze angezündet haben.
Wie in vergleichbaren amerikanischen Vorbildern werden die Reviermitglieder als große Familie geschildert, die sich unter der Führung des väterlichen Vorgesetzten regelmäßig zu gemeinsamen Festen trifft. Werner Wölbern versieht diesen durchaus sympathischen Mann mit charismatischer Jovialität. In einer Schlüsselszene genügt seine pure Anwesenheit, um eine Polizistin, die gerade noch zur Aussage bereit war, zum Schweigen zu bringen. Lorenz und Falke sind ohnehin von Feinden umzingelt: Die Asylbewerber haben natürlich mitbekommen, wie der Polizist den Verstorbenen geschlagen hat, und begegnen ihm mit unverhohlner Ablehnung. Kein Wunder, dass "Verbrannt" alles andere ein entspannter Krimi ist. Die Handkamera ist den beiden Hauptfiguren ständig dicht auf den Fersen, was die entsprechenden Szenen fast reportagehaft wirken lässt. Dieser Stil verleiht dem Film eine beinahe klaustrophobische Atmosphäre, zumal die Räumlichkeiten - Polizeirevier, Asylbewerberheim, das Hotel, in dem Falke und Lorenz untergebracht sind – allesamt beengt wirken. Das Unbehagen wird noch durch die vielen Nachtaufnahmen bestärkt, in denen es tatsächlich dunkel ist.
Und so bleibt in diesem ansonsten rundum gelungenen, äußerst intensiven und auch hochemotionalen "Tatort" eigentlich nur eine Frage offen: Warum rastet Falke zu Beginn so aus? Hat man die gemeinsame Geschichte des Duos verfolgt, kann man zumindest mutmaßen, dass der Polizist mehr für seine Kollegin empfindet, als er sich (und ihr) einräumen würde. Beiden geht der Fall an die Nieren, Lorenz beschließt sogar, ganz auszusteigen. "Verbrannt" war Schmidt-Schallers letzter Auftritt an der Seite von Möhring; entsprechend gefühlig ist der Schluss. Gespielt ist das wie immer vorzüglich, auch die Mitglieder Polizeifamilie und ihres Umfeldes (Annika Kuhl, Max Hopp, Peter Jordan) sind sehr treffend besetzt.