Mit "Merz gegen Merz" hat der Grimme-Preisträger ("Stromberg", "Dr. Psycho") den beiden Komödianten im letzten Jahr eine perfekte Bühne bereitet: Nach diversen Ehejahren haben sich Anne und Erik Merz nichts mehr zu sagen. Ihr Beschluss, in gegenseitigem Einvernehmen auseinanderzugehen, ist jedoch leichter gesagt als getan. Die beiden stellen fest, dass sie doch noch eine ganze Menge verbindet: der Sohn, das Haus und nicht zuletzt die Firma von Annes Vater Ludwig (Michael Wittenborn), in der beide arbeiten. Er führt die Geschäfte, sie leitet die Marketingabteilung; und dann stellt sich auch noch raus, dass der zunehmend vergessliche Ludwig unter Demenz leidet. Am Ende rauft sich das Ehepaar angesichts diverser Herausforderungen wieder zusammen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Fortsetzung der mit jeweils knapp dreißig Minuten erneut ebenso kurzen wie kurzweiligen acht Folgen ist im Grunde ein Remake: Anne und Erik liefern sich nach wie vor hitzige Wortgefechte, Ludwig ist immer noch vergesslich, zwischen Anne und ihrer etwas nervigen Mutter Maria (Claudia Rieschel) fliegen auch weiterhin fröhlich die Giftpfeile hin und her, und Eriks eher schlicht gestrickte Eltern Renate und Günter (Carmen Maja Antoni, Bernd Stegemann) sorgen regelmäßig für unfreiwillige Heiterkeit. Die Abweichungen vom Muster sind marginal: Waren Anne und Erik in der ersten Staffel beim Paartherapeuten, so suchen sie nun einen Juristen auf, der für den Fall einer Trennung einen Ehevertrag aufsetzen soll; allerdings sind diese Besuche meist nur Stippvisiten und bilden daher keine dramaturgische Klammer mehr. Sohn Leon (Philip Noah Schwarz) wurde beim letzten Mal von der Polizei aufgegriffen und sorgt nun dafür, dass sich seine Eltern bei der Schulsozialarbeiterin einfinden müssen, weil er auf dem Schulhof eine drogenähnliche Substanz vertickt hat; außerdem jobbt er lieber in einer Shisha-Bar, als in die Schule zu gehen.
Das mittlerweile von Erik geleitete Unternehmen wird von einem finnischen Konkurrenten übernommen, was der Serie immerhin eine neue Figur beschert: Repräsentant des neuen Eigners ist ein etwas seltsamer Typ (Mathias Harrebye-Brandt), der bei Firmenmeetings gern mit einer Trollpuppe kommuniziert, die später in einer kleinen Hommage an "Der Pate" einem Racheakt Eriks zum Opfer fällt. Recht amüsant sind auch Ludwigs Besuche bei einer "Wunderheilerin" (Heike Trinker), deren Methoden satirisch aufs Korn genommen werden. Annes Geduld wiederum wird kräftig auf die Probe gestellt, als ihre Schwiegereltern einziehen, weil Günter sämtliche Ersparnisse in eine Diamantenmine in Uganda investiert hat.
Dass die Fortsetzung gleichfalls sehenswert ist, liegt neben den Dialogen und diversen verblüffenden Einfällen – Husmann hatte Unterstützung durch gleich fünf Koautoren – vor allem am vorzüglichen Ensemble. Außerdem gelingt Regisseur Felix Stienz, der auch schon an der ersten Staffel beteiligt war, immer wieder aufs Neue eine feinfühlige Gratwanderung. Das zeigt sich vor allem an der Figur des dementen Ludwig: Michael Wittenborn verkörpert Annes Vater als schrulligen, aber durchaus liebenswürdigen älteren Herrn, dessen Vergesslichkeit regelmäßig für heitere Momente sorgt; trotzdem macht sich die Serie nicht über seine Krankheit lustig. Außerdem nutzen die Drehbücher Ludwigs Vergesslichkeit für unerwartet rührende Momente, selbst wenn sie gleich wieder ironisch gebrochen werden: Für den Fall, dass er den Zugangscode für sein Smartphone vergisst, hat sich Ludwig als Identifikationsfrage "Was ist mein größter Erfolg?" ausgedacht. Natürlich wird es Anne, die stets erst an zweiter Stelle nach dem Geschäft kam, sehr warum ums Herz, als sie rausfindet, dass die Antwort "Anne" ist; aber als sie dem Vater das Kennwort mitteilt, hält er sie für die Frau vom Telefonladen.
Die Szene ist typisch für den Humor der Serie: Husmann und seine Koautoren geben sich nicht mit dem schnellen Gag zufrieden, sondern bauen gern noch eine kleine Volte ein. Davon abgesehen wimmen die Dialoge nur so von Sinnsprüchen, Einzeilern und Erkenntnissen wie dem tröstlich gemeinten Rat des Juristen, der dem Ehepaar versichert, eine Ehe sei wie eine Rolltreppe: Wenn sie kaputt ist, funktioniert sie trotzdem noch als Treppe.