Glockenturm-Ökumene

In Winterlingen auf der Schwäbischen Alb läuten die evangelischen und katholischen Kirchenglocken gemeinsam.
© epd-bild/Tobias Göttling
Der evangelische Pfarrer Ernst Nestele, der katholische Pfarrgemeinderatsvorsitzende Harald Fischer und der katholische Pfarrer Hubert Freier freuen sich auf ein ökumenisches Kirchengeläut in Winterlingen.
Glockenturm-Ökumene
In einer Gemeinde auf der Alb stimmen die Konfessionen ihr Geläut ab
Im württembergischen Winterlingen wird seit Beginn des Jahres ökumenisch geläutet. Und das nicht nur an kirchlichen Hochfesten, sondern jeden Sonntag. Damit wollen die Gemeinden vor Ort die Gemeinsamkeiten ihres Glaubens betonen.

Was sich die Evangelische Landeskirche in Württemberg für viele Orte wünscht, ist im Zollernalbkreis in dem kleinen Dorf Winterlingen bereits Realität: Dort wird seit Beginn des Jahres die gelebte Ökumene in jeder einzelnen Kalenderwoche sichtbar, oder besser gesagt: hörbar. Denn in Winterlingen auf der Schwäbischen Alb läuten alle Glocken der evangelischen und der katholischen Kirche gemeinsam. 

Erstmals wurde in dem gut 6.000-Seelen-Dorf eine ökumenisch aufeinander abgestimmte Läuteordnung eingeführt. Die Idee für ein gemeinsames Geläut an den Hochfesten des Kirchenjahres stammt vom evangelischen Pfarrer Ernst Nestele, der sie bei der feierlichen Glockenweihe der katholischen St.-Gertrud-Kirche überraschend und unter Beifall vorschlug. 

Als die Kirchengemeinderäte in einer gemeinsamen Sitzung tagten, entschieden sie sich sogar für einen weitergehenden Vorschlag. Die Ratsmitglieder nahmen laut Nestele den Antrag an, "künftig nicht nur mit allen Glocken beider Kirchtürme das neue Kirchenjahr am 1. Advent sowie Weihnachten, Epiphanias, Karfreitag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Trinitatis, Erntedank und Allerheiligen zusammen einzuläuten, sondern mit einem kleineren Geläut auch jeden Sonntag." Die Sonntage werden "jeweils am Vorabend um 18 Uhr zur traditionellen Zeit des abendlichen Tagzeitengebets, der Vesper", eingeläutet, erklärt Nestele. 

Die drei Geistlichen vor der evangelischen Kirche in Winterlingen.

Für den Sonntag gibt es nur eine Ausnahme: Zum Höhepunkt des Kirchenjahres an Ostern wird schon in der Frühe um sechs Uhr mit allen sechs Glocken eingeläutet. "Die Feste des Glaubens sind hingeordnet auf das einmalige Ereignis der Auferstehung Jesu Christi. Mit Ostern setzt eine neue Zeitrechnung ein", erläutert der evangelische Theologe. Deshalb freue er sich, dass die Anregung aufgenommen wurde, jeden Sonntag mit den Glocken ausdrücklich darauf hinzuweisen. Damit solle "die Freude an Gott und an seinem Wirken zum Heil der Welt" betont werden.

Besuch in der Glockengießerei Rincker

Mit dem evangelischen Geläut zu dem katholisch geprägten Feiertag Allerheiligen geht der protestantische Pfarrer für seine eigene Kirche ungewohnt weit. Für ihn ist Allerheiligen ein für alle Christen wichtiges Fest der "Erinnerung an die Gemeinschaft der Heiligen nach den Bekenntnissen der Kirche".

Was Christen gemeinsam feiern, wird nach Nesteles Auffassung künftig durch das gemeinsame Geläut betont und verstärkt in Erinnerung gerufen. Auch der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Straßberg-Veringen, Pfarrer Hubert Freier, sieht in dem Vorgehen ein gutes Zeichen, um das Gemeinsame der Gläubigen hervorzuheben. 

Aufruf zum ökumenischen Läuten an weiteren Orten 

Die Glockensachverständigen der Erzdiözese Freiburg, Johannes Wittekind, und der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Claus Huber, hatten das Vorhaben unterstützt sowie beratend begleitet. Die "Glockeninspekteure" hätten "die richtige Tonart gefunden, die nach Winterlingen passt", meinte der katholische Pfarrgemeinderatsvorsitzende, Harald Fischer. Vom evangelischen Kirchturm erklingt das Geläut in der Tonfolge d´ - fis´ - a´ - h´: "Salve Regina" hört das römisch-katholisch geschulte Ohr, während evangelische Christen mit der Abfolge der Töne den Anfang des Chorals "Wachet auf! ruft uns die Stimme" nach dem Lied 147 im Evangelischen Gesangbuch verbinden. 

Der landeskirchliche Glockensachverständige Claus Huber empfiehlt auch anderen Orten ein gemeinsames Läuten, soweit es klanglich passt. Dies sei nicht überall der Fall, es gebe auch misslungene Beispiele. Doch aus seiner Sicht wäre noch vieles möglich: "Jetzt liegt es an den Gemeinden, dass sie sich mehr und mehr zusammenschließen."