Koblenz (epd). Zum ersten Mal in Deutschland müssen sich mutmaßliche Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft einem 57-Jährigen vor, in den Jahren 2011 und 2012 als Vorgesetzter in einem Gefängnis für brutale Folterungen und den Tod von Gefangenen verantwortlich zu sein. Die Anklage wegen 58-fachen Mordes, Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung sei zugelassen worden, teilte das Oberlandesgericht Koblenz am Dienstag mit. Ein weiterer, 43 Jahre alter Syrer wurde wegen Beihilfe angeklagt.
Die Koblenzer Richter stellen sich auf einen umfangreichen Prozess ein. Im Zeitraum zwischen dem 23. April und dem 13. August sind insgesamt 24 Verhandlungstage vorgesehen. Der 57-Jährige war nach Überzeugung der Ermittler als Abteilungsleiter des Geheimdienstes direkt verantwortlich für die Vernehmung von Inhaftierten in einem "Gefängnis der Abteilung 251". Dort seien 2011 und 2012 mindestens 4.000 Gefangene gefoltert worden. Bei den Vernehmungen seien die Gefangenen Elektroschocks ausgesetzt gewesen und geschlagen worden, um an Informationen über die Oppositionsbewegung zu gelangen.
In dem anstehenden Verfahren werden 16 Frauen und Männer aus Syrien, die als Zeugen oder Nebenkläger auftreten, von der Berliner Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) betreut. "Der Prozess in Koblenz ist ein wichtiger Schritt, wenn auch nur ein Anfang auf dem langen Weg zur Gerechtigkeit", erklärte der Leiter des Syrien-Projekts von ECCHR, Patrick Kroker. Weitere hochrangige Funktionäre des syrischen Sicherheitsapparates müssten vor Gericht gebracht werden, forderte er. In Syrien selbst herrsche "völlige Straffreiheit" für die Mitarbeiter des Geheimdienstes.