Die gute Nachricht: Der Film tut nicht so, als habe Scheve die Figur schon immer gespielt. Der Hauptkommissar heißt nun Robert Winkler, doch die Rollenbeschreibung ist ähnlich: Wie sein nach Berlin zurückgekehrter Vorgänger hatte auch der Neue einst ein traumatisches Erlebnis. Das Drehbuch (wieder von Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard sowie Produzent Rainer Jahreis) legt die Figur allerdings noch etwas differenzierter an: Der Polizist ist ein Einheimischer, hat das Erzgebirge jedoch als junger Mann nach einem Autounfall, bei dem seine Freundin gestorben ist, verlassen.
Gute Voraussetzungen also, um trotz des Wechsels nahtlos an den sehenswerten Auftakt anzuknüpfen. Die schlechte Nachricht: Scheve ist nicht Luca, auch wenn er als Nebendarsteller etwa in mehreren "Spreewaldkrimis" seine Sache ausgezeichnet gemacht hat. Dass der Eindruck, den er im zweiten "Erzgebirgskrimi" hinterlässt, bei Weitem nicht so gut ist, hat auch viel mit der Regie zu tun: Ulrich Zrenner hat gerade die Dialogszenen zuweilen auf dem Niveau einer Kinderkrimiserie inszeniert. Er führt seit dreißig Jahren Regie und hat fürs ZDF viele Reihenfilme und Serienfolgen gedreht; beim Schnitt hätte ihm eigentlich auffallen müssen, dass es auf Dauer unfreiwillig komisch bis lächerlich wirkt, wenn sich Winkler und seine junge Kollegin Szabo (Lara Mandoki) bei jeder Befragung vielsagende Blicke zuwerfen müssen, weil Zeugen oder Verdächtige vermeintlich wichtige Informationen preisgeben. Den Darstellern ist dabei gar kein Vorwurf zu machen, aber natürlich fällt diese reichlich unelegante Art, die Bedeutung einer Aussage zu unterstreichen, auf sie zurück. Dass Scheve Fragen oft falsch betont, sodass sie nicht spontan, sondern auswendig gelernt klingen, ist hingegen Sache des Schauspielers, aber Zrenner anscheinend nicht aufgefallen. Merkwürdig auch, dass er mitunter viel zu spät schneidet: Das Gespräch ist beendet, alles ist gesagt, doch die Schauspieler müssen sich immer noch anstarren, als warteten sie darauf, dass der Regisseur endlich "Cut!" ruft. Endgültig nicht mehr ernst zu nehmen ist der Krimi, wenn Winkler und Szabo mehrfach das für Jedermann Offensichtliche in Worte fassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Angesichts solcher handwerklicher Fehler, die offenbar auch bei der redaktionellen Abnahme nicht angesprochen worden sind, gerät die ohnehin nicht berauschende Geschichte fast in den Hintergrund. Die beste Idee der beiden Autoren war die Verknüpfung der Handlung mit dem regionalen Brauchtum: Sämtliche Verdächtigen sind Mitglied einer Bergmannblaskapelle, die zum Auftakt selbstredend "Glück auf, der Steiger kommt" spielt. Der Prolog des Films ist sogar richtig fesselnd: Eine Frau schlendert durch den Wald, Nebel wallen, die Musik dräut unheilvoll. Dann wird es spannend, sie rennt davon – und schlägt natürlich der Länge nach hin; wenn Frauen durch den Wald fliehen, stürzen sie immer. Fortan reihen die Autoren ein Krimiklischee ans andere, damit möglichst viele der handelnden Personen der Reihe nach in Verdacht geraten: enttäuschte Liebe, Eifersucht, Erpressung und lauter falsche Alibis; hinzu kommen ein Umweltskandal, ein unerfüllter Kinderwunsch, noch mehr Eifersucht und noch ein Mordopfer. Halbwegs überraschend ist allein der Schluss.
Die Vielzahl erfahrener und durchaus namhafter Mitwirkender lässt vermuten, dass das Drehbuch womöglich besser war als seine Umsetzung; zur Orchesterbesatzung gehören Tim Bergmann, Katharina Lorenz, Florian Panzner und Esther Zimmering. Interessanter als die verschiedenen Versatzstücke sind die regionalen Bezüge; gedreht wurde unter anderem in einem großen einheimischen Unternehmen, das Musikinstrumente herstellt. Einsamer Höhepunkt ist eine Verfolgungsjagd, die zumindest teilweise während des echten Umzugs zum traditionellen Schneeberger Bergstreittag gefilmt worden ist.
Ansonsten trägt neben einem Ausflug ins nahegelegene tschechische Karlsbad vor allem Teresa Weißbach zur regionalen Verankerung des Films bei. Sie darf als Försterin wie schon im ersten Teil ein bisschen mitermitteln und ist in der Gegend aufgewachsen, weshalb sie auch zumindest andeutungsweise Dialekt spricht. Lara Mandoki hat ein paar freche Dialogzeilen, und die Flirts mit dem Kriminaltechniker (Adrian Topol) sorgen für sympathische Momente. Davon abgesehen verdeutlicht eine musikalische Einspielung, wie schlicht dieser Film funktioniert: Die Ermittler weisen sich gegenseitig auf die Cowboy-Stiefel eines Verdächtigen hin, und schon erklingt "Country Boy" von Johnny Cash.