TV-Tipp: "Stubbe: Tod auf der Insel"

 Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Stubbe: Tod auf der Insel"
4.3., ZDF, 21.45 Uhr
Dieser Film war bei seiner TV-Premiere vor zwei Jahren wie das Wiedersehen mit einem alten Freund: Als wäre das letzte Treffen erst kürzlich gewesen, stellt sich sofort die gewohnte Vertrautheit ein. Das Comeback für Stubbe, der nach fünfzig Filmen und fast zwanzig Sendejahren im Januar 2014 in Pension gegangen ist, beginnt mit einer Herzoperation.

Aus dem Off fasst der frühere Hamburger Hauptkommissar (Wolfgang Stumph) die letzten fünf Jahre zusammen: Freundin Marlene (Heike Trinker) ist erfolgreich beim LKA Dresden, er ist erfolglos im Ruhestand. Die eigentliche Handlung setzt drei Monate später ein: Das Paar trifft sich auf einer Nordseeinsel. Marlene hat die Beziehung, wie sich rausstellt, schon vor geraumer Zeit auf Eis gelegt; zu einem Neuanfang ist sie nur bereit, wenn Stubbe sein Leben ändert. Der hat aber keine Lust auf Paartherapie und will schon wieder abreisen, als sie eine Leiche im Wasser entdeckt. Das weckt natürlich die berufliche Neugier, und zumindest bei der Arbeit sind die beiden nach wie vor ein ausgezeichnetes Team.

Der Film ist ein je nach Geschmack sympathisch altmodisch oder konventionell inszenierter Krimi, aber er verknüpft die Mördersuche geschickt mit der Beziehungsebene. Das Drehbuchduo Scarlett Kleint und Michael Vershinin, hier durch Alfred Roesler-Kleint verstärkt, hat schon einige Dutzend Male zusammengearbeitet, bei "Stubbe" allerdings nur einmal; von Vershinin gibt es dagegen diverse Geschichten über den Sachsen in Hamburg (damals noch unter dem Namen Michael Illner). Die familiäre Ebene mit Tochter Christiane und Schwiegertante Charlotte hatte stets die gleiche Bedeutung wie die jeweilige Mördersuche, insofern fügt sich "Tod auf der Insel" in die Tradition; selbst wenn "Chrissy" diesmal nur als Fotografie präsent ist. Produzent Christoph Bicker bezeichnet den Film als "Beziehungsdrama mit Leiche", und das trifft es recht gut: Marlene will ihren alten Stubbe zurück, aber den gibt es nicht mehr; erst recht seit der Herz-OP, von der sie gar nichts weiß.

Oliver Schmitz hat für Sat.1 mit "Amokspiel" zwar auch mal einen Thriller gedreht, steht aber nicht zuletzt dank der "Allein unter…"-Reihe mit Hannes Jaenicke (ebenfalls Sat.1) vor allem für Komödien. Heitere Momente sind diesmal jedoch eine echte Rarität, Nervenkitzel allerdings auch; der Regisseur lenkt den Film souverän wie ein Schiff an allen Aufregungen vorbei durch ruhiges Fahrwasser. Das entspricht dem klassischen "Stubbe"-Stil: "Von Fall zu Fall" hat sich stets als Familienfernsehen verstanden, und daran knüpft auch dieses sehenswerte "Special" an, zumal das Autorentrio die beiden Hauptfiguren mit reizvollen Charakteren umgibt. Das vielköpfige weitere Ensemble besteht nicht bloß aus Verdächtigen, sondern aus Menschen mit jeweils eigener Geschichte. Zur Komplexität der Handlung tragen auch diverse Details bei, etwa eine im Wind quietschende Friedhofstür oder ein Spielzeugbagger, den Stubbe am Strand findet, als er mit einem Metalldetektor nach einer Patronenhülse sucht. Der Witz entsteht durch einen Schnitt: Ganz in der Nähe der steht gleiche Bagger, allerdings in groß.

Aus dem rundum plausiblen Rahmen fallen allein die überdies viel zu langen Szenen mit dem Ehepaar Ritter (Nina Petri, Jörg Pose). Die beiden wirken derart ausgedacht, dass sie im Vergleich zu den realitätsnahen sonstigen Figuren fast grotesk anmuten. Viel interessanter ist Inselpolizistin Jördis (Caroline Hanke), denn die war einst die beste Freundin der toten Petra; bis die ihr den Mann wegschnappte. Als Stubbe nebenbei einen Fall von Ankerklau klärt, freundet er sich mit Jördis’ Kollegen Niklaas (Knud Riepen) an und erfährt auf diese Weise allerlei über den Fall, die Menschen auf der Insel und die Vorgeschichte: Vor drei Jahren ist Petras kleiner Sohn am Strand ums Leben gekommen; die Mutter ist in Sichtweite des Kreuzes, das an das Unglück erinnert, erschossen worden.

Der Titel des "Specials" ist natürlich nicht sonderlich einfallsreich und könnte auch als Sammelbezeichnung für die vielen Nord- und Ostseekrimis dienen, die ARD und ZDF seit einigen Jahren zeigen. Anders als beispielsweise "Nord Nord Mord" (Sylt) spielt "Tod auf der Insel" nicht auf einem konkreten Eiland; gedreht wurde größtenteils auf Amrum. Bei der Bildgestaltung (Leah Striker) gibt es allerdings deutliche Parallelen. Die frühwinterlichen Aufnahmen sind betont unwirtlich und lassen die durch den permanenten Wind verstärkte lausige Kälte beinahe körperlich spürbar werden. Trotzdem haben sie einen eigenen Reiz, weil sie eine ganz spezielle Atmosphäre vermitteln. Selbst vermeintliche Schmuckbilder haben ihre Bedeutung. Das gilt vor allem für die Bank unterm Leuchtturm, auf der Marlene und Stubbe ihre Beziehungsgespräche führen. Ähnlich bedeutsam ist die Musik von Mario Lauer, die die Stimmungen nicht vorgibt, sondern aufnimmt. Eigentlich schade, dass es im ZDF mit "Wilsberg" schon eine Samstagsreihe über einen nicht mehr ganz jungen Privatdetektiv gibt, aber vielleicht lassen sich ja andere Wege finden, Wilfried Stubbe in Zukunft wenigstens einmal pro Jahr ermitteln zu lassen. Die Kombination Heike Trinker und Wolfgang Stumph, der hier auch als Koproduzent mitgewirkt hat, funktioniert jedenfalls nach wie vor prima.