Im dritten Film konzentriert sich Oeller wieder aufs Wesentliche: Durch Zufall lernen Karin und Rommy einen Ukrainer kennen, der sich als illegal beschäftigter Tagelöhner auf Baustellen verdingt. Die beiden brauchen nicht lange, um Details über die skandalösen Bedingungen rauszufinden: Die Bauarbeiter werden konsequent ausgebeutet und bekommen bloß einen Hungerlohn, von dem sie auch noch die menschenunwürdige Unterbringung in abbruchreifen Häusern bezahlen müssen. Die Journalistinnen stoßen zudem auf ein perfektes Netzwerk, das Berliner Baukonzerne gemeinsam mit skrupellosen Menschenhändlern geknüpft haben. Die unheilige Allianz kann nur deshalb existieren, weil der amtierende Bausenator Schülke (Mark Waschke) offenbar seine schützende Hand darüber hält. Diese Personalie ist vor allem deshalb pikant, weil sich Schülke dank seiner populistischen Versprechen großer Beliebtheit erfreut und bereits als zukünftiger Regierender Bürgermeister gehandelt wird.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zwangsläufig gibt es erneut viel Erklärungsbedarf, der aber dank der journalistischen Recherchen vergleichsweise harmonisch in die Handlung integriert ist: Verschiedene Informanten erklären den beiden Frauen, warum das Zusammenspiel zwischen Organisierter Kriminalität und Bauunternehmern wie geschmiert funktioniert und in welchen Größenordnungen sich die Schwarzarbeit auf Großbaustellen bewegt. Beziehungsfragen müssen Karin und Rommy diesmal zum Glück nicht klären. Trotzdem geht es stellenweise durchaus emotional zu: Gerade ein faktenreicher Stoff wie dieser, der mit seinen Ausführungen zu modernem Sklavenhandel und deutscher Erwerbsarmut stellenweise wie eine Dokumentation wirkt, findet sein Publikum nur dank fesselnder Protagonisten. Die Journalistinnen treffen den Ukrainer, nachdem unmittelbar zuvor sein Bruder auf einer Baustelle in den Tod gestürzt ist. Taras (Ivan Shvedoff) sucht verzweifelt nach seinem erwachsenen Sohn, der ebenfalls illegal auf dem Bau arbeitet. Karin und Rommy fühlen sich für den Mann verantwortlich, nehmen ihn bei sich auf und beschließen, seine Geschichte zu erzählen.
Die interessanteste Figur des Films ist jedoch die Referentin des Senators: Petra Schmidt-Schaller spielt Schülkes "Spin-Doctor", also jene Person, die den Senator zur Marke aufgebaut hat ("Berlins neue Kraft") und dafür sorgt, dass ihr Chef selbst dann noch im besten Licht erscheint, wenn die Schlagzeilen eigentlich gegen ihn sprechen. Die Faszination dieser Rolle resultiert zwar auch aus der Brillanz, mit der Vicky Urban die Fäden zieht, aber zum Zentrum der Geschichte wird sie, weil sie in erster Linie ihre eigenen Pläne verfolgt; und in diesem Spiel kommen Schülke und den Journalistinnen ganz bestimmte Rollen zu.
Darüber hinaus wirft "Das Versprechen" wieder mal die Frage auf, warum es nicht viel öfter Krimis mit journalistischem Hintergrund gibt. Im Grunde unterscheiden sich die Recherchen von Karin und Rommy nur marginal von den Ermittlungen der TV-Kommissare. Sie haben zwar nicht die Befugnisse von Ordnungshütern, repräsentieren aber die vierte Gewalt im Staat; außerdem stehen ihnen alternative Ermittlungsmethoden zur Verfügung. Da die beiden Journalistinnen im dritten Film für ein leserfinanziertes Online-Magazin arbeiten, können sie zudem völlig unabhängig agieren. Während die beiden anderen Episoden der Reihe auch Thriller-Elemente enthielten, hat die Schweizer Regisseurin Barbara Kulcsar ihren ersten deutschen Fernsehfilm sehr ruhig inszeniert; packend wird "Das Versprechen" erst, als Vicky Urban klar wird, dass ihre Gegenspieler angesichts der Bedrohung bereit sind, das Problem "nachhaltig" zu lösen