Fortan geisterte Markus Graf (Florian Bartholomäi) immer wieder durch die Krimis aus Dortmund, meist allerdings nur im Hintergrund. Zur erneuten Konfrontation kam es erst in "Tollwut" (2018), als Graf die Flucht aus dem Gefängnis gelang. Nun kehrt der mehrfache Mörder zurück, um endgültig mit seinem Erzfeind abzurechnen. Die ganze Perfidie seines Plans offenbart sich jedoch erst später. Zunächst müssen sich die Ermittler um einen aktuellen Mordfall kümmern: Eine junge Frau hat einen Mann umgebracht. Das Opfer sei "toter wie tot", sagt ein Streifenpolizist; später stellt sich raus, dass der regelrecht abgestochene Mann vor allem Täter war. Während Faber noch rätselt, warum Evelyn (Luisa-Céline Gaffron), die Mörderin, darauf besteht, nur mit ihm zu sprechen, wird die sechsjährige Tochter von Kommissar Pawlak (Rick Okon) entführt. Kurz drauf taucht das Mädchen im Internet auf: Der Entführer will Mia an Kinderschänder versteigern. Mit einer dreisten Aktion gibt sich Graf als Drahtzieher des abscheulichen Verbrechens zu erkennen: Wenn sich Faber das Leben nimmt, lässt er Mia frei. Fast zu spät erkennt der Kommissar, dass Evelyn nicht nur Teil von Grafs teuflischem Spiel ist, sondern auch den Schlüssel besitzt, um den Plan zu durchkreuzen.
Der Filmtitel "Monster" scheint sich auf Fabers finsteren Gegenspieler zu beziehen, aber er gilt natürlich auch den Männern, die sich an wehrlosen kleinen Kindern vergehen. Die entsprechenden Geschichten, die Evelyn erzählt, sind von namenloser Grausamkeit; das macht diesen Krimi neben aller Faszination, die die Jagd auf Graf mit sich bringt, zu einem erschütternden Film. Allerdings sind Werner und Regisseur Torsten C. Fischer weit davon entfernt, das Thema für schlichten Nervenkitzel auszuschlachten. Bei der optischen Umsetzung hat sich Fischer aus naheliegenden Gründen größte Zurückhaltung auferlegt; die Andeutungen genügen ohnehin völlig. Schockierend sind auch die Details, auf die das Team im Zuge seiner Ermittlungen stößt: Der Tote hat mit altem Spielzeug gehandelt. Deshalb hatte die Nachbarschaft keinen Anlass, sich darüber zu wundern, dass er dauernd Besuch von vermeintlichen Vätern mit ihren Kindern hatte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Fischers letzte Regiearbeit war der Weihnachts-"Tatort" aus Münster ("Väterchen Frost"); der Film war zwar gewohnt witzig, doch herausragend war vor allem die Bildgestaltung. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt der Romy-Schneider-Film "Romy", aber der Regisseur steht dank seiner Beiträge zu Reihen wie "Bella Block", "Spreewaldkrimi" oder "Polizeiruf 110" sowie seinen beiden "Emma nach Mitternacht"-Folgen auch für vorzügliche Krimiunterhaltung. Die zweite Ebene von "Monster" ist daher umso packender, weil der clevere Graf die Polizei mehrfach an der Nase rumführt. Besonders spannend ist eine Begegnung der beiden Kontrahenten auf dem Dach des Dortmunder Hansa-Hauses mit anschließender Verfolgungsjagd durchs Gebäude. Die wenigen Augenblicke der Fahrstuhlfahrt genügen Fischer, um in einer faszinierenden Schnittfolge zusammenzufassen, was sich bisher zwischen Faber und Graf ereignet hat. Herzstück des Films sind jedoch die Gespräche, die Faber im Präsidium mit Evelyn führt, weil sich erst im Verlauf dieser Vernehmung die ganze Tragweite der Geschichte offenbart. Sehr präsent ist auch die packende Musik (Wolfgang Glum).
Wer die Krimis aus Dortmund regelmäßig verfolgt, wartet seit Episode Nummer 12 ("Tod und Spiele", 2018), als Jan Pawlak erstmals fest zum Team gehörte, auf Antworten. Der familiäre Hintergrund des jungen Kriminalhauptkommissars ist stets ein Rätsel geblieben. Er hat zwar regelmäßige Telefonate geführt, aber sein Privatleben sorgfältig vor den Kollegen abgeschirmt. Werner, der mit "Monster" nun zehn der fünfzehn Dortmunder Krimis geschrieben hat, deckt nicht nur auf, warum Pawlak aus seiner Frau so ein Geheimnis gemacht hat, er schafft auch die Basis dafür, dass Ella (Anke Retzlaff) in den kommenden Episoden ebenfalls eine düstere Rolle spielen könnte. Und so gilt die sinistre Botschaft dieses Films für sie ebenso wie für Faber und Evelyn: Man kann der Hölle nicht entrinnen, weil man sie in sich trägt; deshalb triumphiert Faber am Ende auch nur scheinbar über seinen Erzfeind.