Kamp-Lintfort (epd). Nach dem Antrag des Bürgermeisters von Kamp-Lintfort auf einen Waffenschein haben sich am Wochenende Hunderte Menschen hinter ihr Stadtoberhaupt gestellt. Mehr als 700 Bürger solidarisierten sich laut Polizeiangaben am Samstag in der nordrhein-westfälischen Stadt mit Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) und protestierten gegen eine rechtsextreme Demonstration der Partei "Die Rechte". An dieser nahmen laut Polizei hingegen lediglich bis zu 30 Menschen teil. Der Antrag Landscheidts wegen rechtsextremer Drohungen hat die Debatte über den Schutz von Kommunalpolitikern neu angefacht.
An der Solidaritätskundgebung auf dem Prinzenplatz beteiligten sich unter anderem die Kirchen, Gewerkschaften und demokratische Parteien. Die Rechten-Demonstration in der Fußgängerzone stand unter dem Motto "Bewaffnung von Bürgermeister Landscheidt stoppen!". Beide Veranstaltungen verliefen nach Angaben der Polizei friedlich.
Nach Drohungen aus der rechtsextremen Szene möchte Bürgermeister Landscheidt eine Waffe tragen und klagt auf Erteilung eines großen Waffenscheins. Er wolle sich und seine Familie im Notfall schützen, begründete Landscheidt den Schritt. Er wolle nicht in Zukunft "in Texas-Manier" bewaffnet durch die Straßen ziehen, stellte der Bürgermeister klar. "Ich habe größtes Vertrauen in die Polizei und respektiere selbstverständlich das Gewaltmonopol des Staates", betonte er in einer persönlichen Erklärung. Es habe allerdings konkrete Situationen in seinem privaten und beruflichen Umfeld gegeben, in denen polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar gewesen wäre und auch in Zukunft nicht erreichbar sein werde.
Mit dem Waffenschein wäre es dem Lokalpolitiker unter anderem erlaubt, Schusswaffen zu tragen. Die Polizeibehörde hatte sein Bestreben abgelehnt. Nun muss das Verwaltungsgericht Düsseldorf darüber entscheiden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der "Rheinischen Post", die Bundesregierung habe die zunehmende Bedrohung von Kommunalpolitikern sowohl im digitalen Raum als auch in der realen Welt im Blick. Zugleich äußerte er die Sorge, dass weniger Bürger bereit sein könnten, in der Kommunalpolitik Verantwortung zu übernehmen.
Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen lokale Amts- und Mandatsträger in Deutschland stieg laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" 2019 in mehreren Bundesländern an. So hätten sich die Übergriffe nach vorläufigen Zahlen in Niedersachsen auf 167 Straftaten (2018: 108), in Baden-Württemberg auf 104 (81) und in Rheinland-Pfalz auf 44 Straftaten (25) erhöht, meldete die Zeitung unter Berufung auf eine Umfrage bei Innenministerien größerer Flächenländer. In Thüringen und in Sachsen sei eine Verdopplung der Taten gegen Amts- und Mandatsträger gemeldet worden, in Bayern hingegen ein Rückgang.
In den vergangenen Jahren wurden mehrfach Amtsträger verletzt oder getötet: 2017 wurde etwa der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU), mit einem Messer angegriffen, ebenso wie die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) 2015. In Hessen wurde 2019 der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke erschossen.